Nach Corona-Demo in Leipzig : Seehofer nimmt Polizei in Schutz
- Aktualisiert am
Kein Urteil ohne vollständiges Bild der Lage: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) im Bundestag (Aufnahme vom 5.11.) Bild: dpa
Nach einer Großdemonstration mit zahlreichen Verstößen gegen die Corona-Regeln in Leipzig hat Bundesinnenminister Seehofer das Vorgehen der Polizei verteidigt. Deren Taktik solle nicht „per Ferndiagnose“ hinterfragt werden.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat nach der Großdemonstration gegen die Corona-Maßnahmen am Samstag in Leipzig die Polizei gegen Kritik in Schutz genommen. „Wir müssen damit aufhören, die Taktik der Polizei im Nachhinein ohne Kenntnis von Details und ohne vollständiges Bild per Ferndiagnose zu hinterfragen“, betonte Seehofer in einer am Sonntagabend von seinem Ministerium verbreiteten Erklärung. Die Polizei habe seine „volle Rückendeckung“.
Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hatte die Demonstration der Initiative Querdenken in der Leipziger Innenstadt kurzfristig erlaubt. Nach der Demo mit rund 20.000 Teilnehmern kam Kritik am Gericht und an der Polizei auf, weil es zahlreiche Verstöße gegen die Corona-Auflagen gegeben hatte. Zudem kam es zu gewalttätigen Konfrontationen, nachdem die Polizei die Demonstration wegen der Verstöße gegen die Corona-Regeln vorzeitig aufgelöst hatte.
Das Spektrum der Demonstranten reichte nach Angaben des Leipziger Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD) „vom gutmeinenden Homöopathen bis zum Neonazi“. Die große Mehrheit von ihnen hielt sich nach Angaben der Polizei nicht an die Maskenpflicht. Eine Gruppe von Demonstranten durchbrach eine Polizeikette.
Seehofer: Verantwortungsvolle Entscheidungen nötig
Seehofer erklärte nun, alle Beteiligten, die Versammlungsbehörden, die Polizei und die Gerichte, müssten im Lichte des aktuellen Infektionsgeschehens „verantwortungsvolle Entscheidungen“ treffen. „Das Versammlungsrecht muss gewährleistet werden, erst recht in der Krise“, unterstrich der Minister. Doch müssten dabei die Regeln der Versammlungsbehörden „eingehalten werden und durchgesetzt werden können“.
Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte am Sonntag gesagt, die sächsische Regierung und auch der überwiegende Teil der Bürger habe kein Verständnis für diese Art von Demonstrationen, „für Leichtsinnigkeit und Hybris in einer Zeit, in der ein offener Blick zeigt, welche Gefahren das Virus hat“. Zugleich kündigte er eine Aufarbeitung des Geschehens an.
Gewaltsame Auflösung kam nicht infrage
Innenminister Roland Wöller (CDU) nannte es „unverständlich, dass mitten in einer sich verschärfenden Corona-Pandemie eine Versammlung von über 16.000 Teilnehmern in der Innenstadt von Leipzig genehmigt werden kann“. Veranstalter und Teilnehmer hätten schon vorher klar gemacht, dass sie keine Hygieneregeln einhalten wollten. Eine gewaltsame Auflösung einer friedlichen Demonstration habe aber nicht zur Debatte gestanden.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen hatte die Demonstration in der Innenstadt erst am Samstagmorgen erlaubt, auf 16.000 Teilnehmer begrenzt. Die Stadt hatte die Kundgebung wegen des Infektionsschutzes auf einen großen Messe-Parkplatz am Stadtrand verlegen wollen, das Verwaltungsgericht Leipzig hatte dies zunächst bestätigt. Die Begründung des OVG für die Zulassung steht noch aus.
Die Linke, die Grünen und die SPD in Sachsen verlangten eine Aufarbeitung der Geschehnisse in einer Sondersitzung des Innenausschusses. „Ein offensichtliches Planungsdesaster hat dazu geführt, dass der Staat in Leipzig gegenüber Feinden der Demokratie kapituliert hat und weder das Versammlungsrecht durchsetzen noch Angriffen auf Gegenprotest, Journalistinnen und Journalisten sowie die Polizei wirksam begegnen konnte“, erklärte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion Valentin Lippmann. Die Linken sprachen von „Staatsversagen“.
Die FDP forderte die Innenministerkonferenz (IMK) auf, sich auf ihrer nächsten Sitzung mit den Vorgängen in Leipzig zu befassen. Die IMK solle ein Konzept erarbeiten, wie künftig sichergestellt werden könne, „dass solche Demonstrationen mit einer ausreichenden Anzahl von Beamten begleitet werden“, sagte der Vizevorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Montag. Schließlich sei die Eskalation in Leipzig nicht die erste in den vergangenen Wochen und Monaten gewesen.