Mord an Walter Lübcke : CDU weist AfD Mitverantwortung zu
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Eine Teilnehmerin hält in Berlin bei einer Kundgebung anlässlich des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke ein Plakat hoch. Bild: dpa
Wer ist für das hetzerische politische Klima mitverantwortlich, das womöglich den Täter zum Mord an Walter Lübcke angestachelt hat? Die CDU-Vorsitzende zeigt auf die AfD, ein Unions-Abgeordneter wählt drastische Worte.
Wie soll der Staat in Zukunft mit extremistischen Hetzern umgehen? Nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke aus mutmaßlich rechtsextremistischen Motiven ist darüber eine Debatte entbrannt, die nun auch in der CDU geführt wird. Am weitesten ging am Mittwoch der hessische Bundestagsabgeordnete Peter Tauber. Der frühere CDU-Generalsekretär forderte in einem Beitrag für die Zeitung „Die Welt“ den Artikel 18 des Grundgesetzes gegen Hetzer anzuwenden. Laut Artikel 18 kann eine Person seine Grundrechte verwirken, wenn er sie „zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht“.
Das gelte für die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit, das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, das Eigentum oder das Asylrecht. Tauber schreibt, die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten „uns ein scharfes Schwert zum Schutz der Verfassung“ in die Hand gegeben. „Es ist Zeit, von ihm Gebrauch zu machen.“ Die Gewaltbereitschaft von rechts nehme zu, schreibt Tauber. Dazu habe auch die AfD im Bundestag und den Länderparlamenten beigetragen. „Sie hat mit der Entgrenzung der Sprache den Weg bereitet für die Entgrenzung der Gewalt“. Politiker wie die ehemalige CDU-Abgeordnete Erika Steinbach seien durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führe, „mitschuldig am Tod Lübckes“ – ebenso wie die „Höckes, Ottes und Weidels“. Zwar sei Berlin nicht die Weimarer Republik, in der es mehr als 500 politisch motivierte Mordtaten gegeben habe, „die meisten von rechts“. Doch gelte es jetzt, eine klare Grenze nach rechts zu ziehen. „Die politische Rechte kann man nicht integrieren oder einbinden“, schreibt Tauber.
Allerdings führt der CDU-Politiker nicht aus, wie er sich eine Anwendung von Artikel 18 vorstellt, der, wie Tauber selbst zugibt, noch nie angewendet wurde. Denn der Artikel legt auch fest, wer ihn in Anwendung bringen darf: „Die Verwirkung und ihr Ausmaß werden durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen.“ Neben dieser hohen Hürde stellen sich auch ganz praktische Fragen, etwa wie die Verwirkung der Meinungsfreiheit geregelt werden soll in Zeiten der Digitalisierung, in denen eine Meinungsäußerung unter einem anonymen Account in Netzwerken eine Leichtigkeit ist.
Eine Mitverantwortung für das Klima von „Hass und Hetze“, das zu dem Mord an Lübcke geführt habe, gab der AfD auch die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Bei einem Besuch in Paris am Mittwoch sagte sie, es lasse sich am Fall Lübcke „ganz deutlich sehen, wie Entgrenzung auch von Sprache, wie Hass und Hetze, wie sie auch von der AfD und von Verantwortlichen der AfD betrieben wird, Hemmschwellen so absenkt, dass sie augenscheinlich in pure Gewalt umschlagen.“ Deswegen müsse für die CDU „vollkommen und unzweifelhaft klar sein, dass es keine Form der Zusammenarbeit mit der AfD geben kann und geben wird“, sagte die CDU-Vorsitzende. Der Rechtspopulismus sei für jeden Staat eine große Gefahr, aber „mit Blick auf unsere ganz spezielle Geschichte in Deutschland ist das für uns eine noch größere Herausforderung“.
AfD-Spitze verurteilte Mord
Die AfD-Führung hatte am Dienstag den Mord an Lübcke verurteilt und sich von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung distanziert. Die AfD und ihre Fraktionen verurteilten „als Rechtsstaatspartei extremistische Gewalt aufs schärfste“, hatten die Parteivorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen in einer Erklärung mitgeteilt. „Dabei ist es vollkommen egal, ob es sich hierbei um rechts- und linksextremen oder islamistischen Terror handelt“, schreiben sie weiter. Auch die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel schrieb, dass sich ihre Fraktion für die lückenlose Aufklärung des Falles einsetzen werde, vermied aber das Wort rechtsextremistisch. „Extremistische Gewalt darf in Deutschland keinen Platz haben und muss mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden“, schrieb Weidel.
Der Ökonom Max Otte, Mitglied der „Werte-Union“ innerhalb der Union, twitterte, der „Mainstream“ habe „eine neue NSU-Affäre und kann hetzen. Es sieht so aus, das der Mörder ein minderbemittelter Einzeltäter war, aber die Medien hetzen schon jetzt gegen die ;rechte Szene‘, was immer das ist“. Aufgrund der Empörung über diese Äußerung löschte Otte den Tweet und distanzierte sich später auf Twitter davon und entschuldigte sich.
Der ermordete CDU-Politiker Lübcke hatte im Oktober 2015 bei einer Veranstaltung zur Flüchtlingspolitik gesagt, dass jeder, der bestimmte Werte nicht teile, ja „jederzeit dieses Land verlassen“ könne, wenn er nicht einverstanden sei. Er war daraufhin in den sozialen Medien angegriffen und bedroht worden – die Hetze ging bis hin zu Morddrohungen. In diesem Jahr hatte es wieder Drohungen gegeben, nachdem unter anderen die ehemalige CDU-Abgeordnete Steinbach im Februar das Video mit den Äußerungen Lübckes noch einmal auf ihrer Internet-Seite gepostet hatte. Es ist bisher unklar, ob der mutmaßliche Täter Stephan E. durch die Hetze im Internet zu der Tat motiviert wurde.