Urteil gegen „Gruppe Freital“ : Zehn Jahre für den blinden Hass auf Fremde
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Diesseits des Plexiglasvorhangs: Die acht Angeklagten warten mit ihren Rechtsanwälten auf die Urteilsverkündung. Bild: AFP
Die acht Mitglieder der rechtsterroristischen „Gruppe Freital“ müssen lange ins Gefängnis. Damit ist die Aufarbeitung der Anschläge aber noch nicht zu Ende.
Es ist nicht ohne Ironie, dass die Mitglieder der rechtsextremen „Gruppe Freital“ ihr Urteil gerade dort entgegennehmen mussten, in einem Raum, der ursprünglich für jene geplant worden war, welche die Angeklagten vor ihrer Festnahme mit Gewalt zu bekämpfen versuchten. Mehr als fünf Millionen Euro hatte der Umbau gekostet, vom Speiseraum einer Flüchtlingsunterkunft zum Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Dresden. Der Umbau war eigens für diesen Prozess in Auftrag gegeben worden. In diesem Raum, der Platz bietet für mehr als 150 Zuschauer, durch eine Plexiglasscheibe abgetrennt, verurteilte das Gericht am Mittwoch sieben Männer und eine Frau zu teils hohen Haftstrafen – auf den Tag genau ein Jahr, nachdem der Prozess begonnen hatte.
Die Angeklagten mussten sich für fünf Sprengstoffanschläge verantworten, die sie zwischen Juli und November 2015 in Sachsen verübt hatten. Nach Überzeugung des Gerichts zündeten sie an den Fenstern zweier Flüchtlingsunterkünfte im Dresdner Vorort Freital selbstgebaute Bomben, zudem sprengten sie das Fahrzeug eines Freitaler Stadtrats, der Mitglied der Linkspartei war, in die Luft. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft, die die Ermittlungen in dem Fall rasch an sich gezogen hatte, sei es nur glücklichen Umständen zu verdanken gewesen, dass dabei niemand schwer verletzt oder gar getötet wurde.
Die Gruppe habe „ein Klima der Angst und Repression“ schaffen wollen; ihr Ziel sei es gewesen, Ausländer aus Deutschland zu vertreiben. Dafür müssen die zwei Rädelsführer, der 29 Jahre alte Busfahrer Timo S. und der 26 Jahre alte Lagerarbeiter Patrick F., nun lange ins Gefängnis. Das Gericht unter Vorsitz von Thomas Fresemann verurteilte sie unter anderem wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion und versuchten Mordes und blieb dabei nur knapp unter dem von Bundesanwalt Jörn Hauschild beantragten Strafmaß. S., der als Kopf der „Gruppe Freital“ gilt, muss zehn Jahre in Haft, sein technisch versierter Kompagnon, der für den Bau der Bomben zuständig war, bekam neun Jahre und sechs Monate.
Hartes Urteil wird positiv aufgenommen
Die weiteren Angeklagten, die zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, erhielten Haftstrafen zwischen vier und fünfeinhalb Jahren. Der jüngste Angeklagte, Justin S., war zum Tatzeitpunkt erst 18 Jahre alt. Er erhielt eine Jugendstrafe und hatte zuvor ein ausführliches Geständnis abgelegt. Auch Patrick F. hatte während des Prozesses, der sich über 74 Verhandlungstage erstreckte, seine Taten gestanden. Timo S. hingegen schwieg fast durchgehend.
Das harte Urteil wurde positiv aufgenommen. „Rassistische Gewalt und rechter Terror wurden heute deutlich beim Namen genannt und bestraft“, erklärten die Bundestagsabgeordneten der Grünen Monika Lazar und Irene Mihalic am Mittwoch. Lazar ist Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus ihrer Fraktion, Mihalic ist Sprecherin für Innenpolitik. Der Prozess habe gezeigt, „wie stark die gewaltbereite rechte Szene vernetzt ist und welche dramatischen Folgen dies für das friedliche Zusammenleben in Deutschland hat“. Die Abgeordnete der Linkspartei im Sächsischen Landtag Verena Meiwald, deren Wahlkreisbüro ebenfalls von einem Anschlag der „Gruppe Freital“ betroffen war, nannte das Urteil ein „Achtungszeichen“, dass alle gegen „rechtes Gedankengut“ ankämpfen müssten.
Die Aufarbeitung der Straftaten ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Zum einen ist das Urteil des Oberlandesgerichts noch nicht rechtskräftig. Zum anderen wurde am Mittwoch bekannt, dass die Generalstaatsanwaltschaft in Dresden derzeit gegen zehn weitere Beschuldigte im Zusammenhang mit der „Gruppe Freital“ ermittelt, zwei von ihnen sollen an dem Sprengstoffanschlag auf das Auto des Linken-Politikers beteiligt gewesen sein. Unter den zehn Beschuldigten sollen auch drei Lebensgefährtinnen von den gerade Verurteilten sein.