Wahl des Ministerpräsidenten : Thüringen, zweiter Versuch
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Wird er im zweiten Anlauf zum Thüringer Ministerpräsidenten gewählt? Bodo Ramelow (Linke) Bild: dpa
Am Mittwoch wählt der Landtag in Erfurt abermals einen Regierungschef – voraussichtlich, wenn der Corona-Verdacht eines CDU-Mitglieds sich nicht doch noch bestätigt. Vier Szenarien für die Wahl.
Fast auf den Tag genau einen Monat nach der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen haben Linke, SPD und Grüne in Erfurt abermals Bodo Ramelow als Kandidaten für das Amt des Regierungschefs aufgestellt. Für die AfD, die vor vier Wochen einen parteilosen Bürgermeister ins Rennen schickte, diesen dann aber im dritten Wahlgang fallenließ, tritt diesmal Fraktionschef Björn Höcke an. Rot-Rot-Grün verfügt über 42 der 90 Stimmen im Landtag, vier zu wenig für die erforderliche absolute Mehrheit. Die AfD hat 22 Abgeordnete. Damit hängt es von CDU und FDP ab, wer als Ministerpräsident gewählt wird. Die fünf Abgeordneten der FDP allerdings, die weder Ramelow noch Höcke wählen wollen, haben angekündigt, diesmal während der Wahl den Plenarsaal zu verlassen, um ihr Stimmverhalten zu dokumentieren. Damit läge es allein an den 21 CDU-Abgeordneten, die in den ersten zwei Wahlgängen erforderliche absolute Mehrheit für Ramelow sicher zu stellen.
Die Ankündigung der Liberalen dürfte als Rache an der CDU-Fraktion zu verstehen sein, aus der einige Abgeordnete FDP-Fraktionschef Thomas Kemmerich gedrängt hatten, am 5. Februar gegen Ramelow zu kandidieren und die ihn im dritten Wahlgang auch mutmaßlich fast einstimmig wählten, sich dann aber nach dessen überraschendem Wahlsieg und der überbordenden Kritik daran maximal von ihm distanzierten. Die Linke hat stets betont, Ramelow nicht noch einmal in drei Wahlgänge schicken zu wollen. Ramelow selbst sagt, er gehe „völlig zuversichtlich“ in die Wahl. „Aber wir haben es nicht allein in der Hand“, sagte Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow. „Wir gucken seit Tagen alle in eine Glaskugel.“ Mögliche Szenarien:
Ramelow erreicht die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang
Bodo Ramelow ist damit für eine Übergangszeit bis April 2021 gewählt. Dann soll es Neuwahlen geben. So hatten es Linke, SPD und Grüne mit der CDU vereinbart. Die CDU fürchtet angesichts verheerender Umfragewerte sofortige Neuwahlen und hat sich deshalb mit Rot-Rot-Grün auf eine bewusst nicht Tolerierung genannte, informelle Kooperation für eine begrenzte Zeit verständigt, die „Stabilität für Thüringen“ bringen soll und die Wahl Ramelows als Übergangsregierungschef beinhaltet. Die Union hat zwar angekündigt, Ramelow „als Fraktion“ nicht mitwählen zu können. Einzelne Abgeordnete verwiesen aber immer wieder darauf, dass die Wahl geheim sei und sie in ihrem Mandat frei seien. Bereits am 5. Februar hatte es mutmaßlich aus den Fraktionen von CDU und FDP zwei Stimmen für Ramelow und eine Enthaltung zu seinen Gunsten gegeben.
Ramelow verfehlt die absolute Mehrheit im ersten Wahlgang
Ursprünglich wollte die Linke in diesem Fall die Wahl abbrechen und sofort einen Antrag auf Auflösung des Landtags stellen. Dafür sind mindestens 30 Abgeordnete nötig, die Linke, SPD und Grüne haben. Zustimmen müssten dem Antrag allerdings mindestens 60 Abgeordnete, die Hürde ist also noch höher als bei der Wahl des Regierungschefs. AfD, CDU und FDP haben sich jedoch gegen Neuwahlen ausgesprochen. Und da Björn Höcke weiter im Rennen bleiben dürfte, würde wohl auch Ramelow in einen zweiten Wahlgang gehen. Kandidierte Höcke allein, würde er die absolute Mehrheit ziemlich sicher verfehlen, wäre aber in einem dritten Wahlgang als Alleinkandidat mit einfacher Mehrheit gewählt. Erreicht Ramelow im zweiten Wahlgang die absolute Mehrheit, ist er bis April 2021 als Übergangs-Regierungschef gewählt.
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Ramelow verfehlt die absolute Mehrheit im zweiten Wahlgang
In diesem Fall geht es wie am 5. Februar abermals in einen dritten Wahlgang. In diesem gilt der Kandidat als gewählt, der die meisten Stimmen auf sich vereint. Zudem können spontan weitere Kandidaten ins Rennen einsteigen, so wie vor vier Wochen Thomas Kemmerich von der FDP. Sowohl CDU als auch FDP haben jedoch angekündigt, auch im dritten Wahlgang keinen eigenen Bewerber aufzustellen. Sofern CDU und FDP (für den Fall, dass die Liberalen am dritten Wahlgang teilnehmen) nicht für Höcke stimmen, würden Ramelow dann die 42 Stimmen seiner rot-rot-grünen Minderheitskoalition ausreichen, um gewählt zu sein. Auf die Stimmen der CDU-Abgeordneten käme es dann nicht mehr an.
Die AfD stimmt für Ramelow
Dieses Procedere hatte der Fraktionschef der AfD im Bundestag, Alexander Gauland, seinen Thüringer Parteifreunden empfohlen, um es Ramelow unmöglich zu machen, die Wahl anzunehmen. Ramelow hatte immer wieder gesagt, nicht mit Stimmen der AfD ins Amt kommen zu wollen. Die AfD hat allerdings erklärt, keinesfalls einen Linken-Politiker zu wählen. Zudem tritt diesmal Björn Höcke an, den die Fraktion wohl nicht so leicht fallen lassen könnte wie am 5. Februar ihren Zählkandidaten, den parteilosen Bürgermeister Christoph Kindervater. Zudem will die AfD mit ihrem Wahlverhalten wohl deutlich machen, dass eine Mehrheit für Ramelow ausschließlich mit Stimmen der CDU zustande kommt. Die AfD hat für diesen Dienstagabend eine Demonstration angemeldet, die vom Landtag zur Thüringer CDU-Zentrale ziehen soll, um gegen die Wahl Ramelows zu protestieren.