Messerattacke von Chemnitz : Morddrohung und Ablehnung des Staatsanwalts
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Der Syrer Alaa S. soll das Opfer Daniel H. letztes Jahr erstochen haben. Bild: AFP
Überraschung im Prozess zum tödlichen Messerangriff auf einen Deutschen in Chemnitz: Ein Zeuge will nur aussagen, wenn der Staatsanwalt nicht dabei ist. Ein anderer Zeuge berichtet von Morddrohungen.
Damit hat im Prozess zur tödlichen Messerattacke auf einen Deutschen in Chemnitz niemand gerechnet: Ein ehemals Tatverdächtiger will zu dem acht Monate zurückliegenden Angriff nur aussagen, wenn der Anklagevertreter nicht dabei ist. Im Verfahren vor dem Landgericht Chemnitz forderte der Mann am Freitag in Dresden den Ausschluss von Staatsanwalt Stephan Butzkies von seiner Zeugenvernehmung. In einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung begründete der 23-Jährige dies mit einer Strafanzeige gegen den Staatsanwalt wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung sowie einem entsprechenden Ermittlungsverfahren der Generalstaatsanwaltschaft Dresden.
Am späten Nachmittag wurde dann die Vernehmung des wohl wichtigsten Zeugen der Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Diese war drei Wochen zuvor unterbrochen worden, weil der Mann sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hatte, um sich nicht selbst zu belasten. Das Oberlandesgericht Dresden hatte ihm dies abgesprochen.
Der Augenzeuge berichtete nun, dass er Morddrohungen erhalten habe. Er sei von mehreren Personen mit dem Tod bedroht worden, sagte der Libanese. Eine Gruppe von sieben bis acht Männern habe ihm bei einem Treffen in einer Shisha-Bar gesagt, sie würden ihn umbringen und niemand würde das erfahren, übersetzte eine Dolmetscherin seine Aussage. Die Namen der Personen kenne er nicht. Der 30-Jährige wurde zu seiner Zeugenvernehmung von drei Personenschützern begleitet und im Gerichtssaal bewacht.
Seine Vernehmung wurde aus zeitlichen Gründen bis zum 20. Mai unterbrochen. Zuvor hatte er nach sichtbarem Ringen mit sich und hartnäckigen Nachfragen der Vorsitzenden Richterin seine Aussagen bei der Polizei teilweise bestätigt. Danach habe er gesehen, dass der Angeklagte mit zwei anderen Männern zum Tatort gegangen ist. „Dann gab es eine Auseinandersetzung.“ Später habe er gesehen, dass der Angeklagte Alaa S. – der „Juan“ gerufen wird – und ein mutmaßlicher Mittäter in Richtung Marx-Monument geflüchtet seien.
„Ich erinnere mich nicht“
Zudem bestätigte er seine Aussage bei einer früheren Vernehmung, dass er gesehen habe, wie der Angeklagte mit der linken Hand den Nacken des später Getöteten umfasst und mit der rechten Hand mehrfach auf dessen Oberkörper eingeschlagen habe. Immer wieder aber sagte er auch: „Ich erinnere mich nicht.“ Unterschiede in seinen Aussagen bei den verschiedenen Vernehmungen begründete er mit Fehlern bei der Übersetzung durch die Dolmetscher.
Zuvor hatte der Iraker Yousif A. mit seinem Vorstoß den Ablauf des 5. Verhandlungstages ins Stocken gebracht. Der Mann, dessen Haftbefehl verbotenerweise durch einen inzwischen angeklagten und vom Dienst suspendierten Justizbeamten veröffentlicht worden war, behauptete, sich vor dem Staatsanwalt zu fürchten. „Ich fühle mich von dieser Person erheblich eingeschüchtert und verängstigt. Denn diese Person hat mir vor wenigen Monaten erhebliches Unrecht zugefügt“, verlas Rechtsanwalt Ulrich Dost-Roxin die Erklärung seines Mandanten.
„Völlig grundlos, willkürlich und rechtswidrig“
Yousif A. hatte vom 27. August bis 18. September als Mitbeschuldigter in Untersuchungshaft gesessen. Der Haftbefehl sei „völlig grundlos, willkürlich und rechtswidrig“ beantragt worden, ließ er erklären. Er betonte jedoch, aussagen und alle Fragen beantworten zu wollen – auch die der Staatsanwaltschaft, wenn ein anderer Anklagevertreter zugegen sei. Die Kammer unterbrach seine Vernehmung. Sie wolle die Erklärung prüfen und dann eine Entscheidung treffen.
Seit 18. März muss sich ein Syrer wegen gemeinschaftlichen Totschlags vor dem Landgericht Chemnitz verantworten. Er soll zusammen mit einem auf der Flucht befindlichen Iraker am 26. August 2018 in Chemnitz einen Deutschen erstochen haben. Nach der Tat war es in der Stadt zu fremdenfeindlichen Übergriffen, rechten Demonstrationen sowie zu Anschlägen auf ausländische Restaurants gekommen.
Sechs andere Zeugen äußerten sich nicht über den Angeklagten. Der Angestellte eines Döner-Imbisses und fünf Gäste sagten zu dem auf der Flucht befindlichen Tatverdächtigen Farhad A. und dem in seiner Begleitung befindlichen Yousif A. aus. Der Döner-Verkäufer bezeichnete den Flüchtigen als „aggressiv und frustriert“. Er habe die Deutschen beschimpft und unter anderem als Nazis bezeichnet. Diese bestätigten vor Gericht die Beschimpfungen. Yousif A. hingegen habe in sich gekehrt gewirkt. Einer der Zeugen habe diesen dann anhand seiner auffälligen Tarnjacke am Tatort erkannt.