Aussprache im Bundestag : Merkel und die Papst-Attitüde
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Merkel im Bundestag Bild: EPA
Die Kanzlerin gibt ihre Niederlage in der Frage der Schulöffnungen zu, auf Selbstkritik verzichtet sie aber im Bundestag. Das reizt die Opposition.
Die Kanzlerin wollte Zuversicht verbreiten. Und zugleich vor zu viel Zuversicht warnen. Diesen Spagat übt Angela Merkel schon lange, mehr als ein Jahr, in dem es ihre Hauptaufgabe ist, „das Land durch die Katastrophe zu führen“, wie sie es am Donnerstag bei ihrer Regierungserklärung im Bundestag sagt, bei der sie die Corona-Beschlüsse des Treffens mit den Ministerpräsidenten vom Vorabend erläutern will.

Politischer Korrespondent in Berlin.
Doch Merkel weiß, dass Geduld endlich ist. Ja, der Lockdown bedeute Belastungen, Einsamkeit, Existenzängste – „das vergesse ich keinen Tag“, ebenso wie die nun schon mehr als 60.000 Corona-Toten. Merkel spricht über den Fehler, im Herbst zu zögerlich und nicht konsequent reagiert zu haben, der fatale Folgen hatte. Eine Selbstkritik ist das kaum, hatte sie sich doch nicht gegen die Ministerpräsidenten mit ihrem Votum für härteren Maßnahmen durchsetzen können. Selbst die hohen Zahlen bis in den Januar hinein seien auf diesen Fehler zurückzuführen.
Nun aber sei wegen des härteren Lockdowns im November endlich die Trendumkehr gelungen. Die Infektionszahlen sinken, Impfstoffe seien da. Sie verstehe aber auch, dass der Start der Impfkampagne enttäusche. Zu den Versäumnissen, die von der Europäischen Union bei der Impfstoffbestellung gemacht wurden, sagt die Kanzlerin nichts. Sie wiederholt stattdessen das Versprechen, dass bis Ende des Sommers – „jeder, der möchte“ – geimpft werden könne. „Dieses Ziel wollen wir erreichen.“
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ANMELDENDann folgt die Warnung. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Mutationen des Coronavirus, vor allem die britische Variante, auch in Deutschland das bisherige Virus verdrängen würden. Deshalb müsse man „sehr, sehr achtsam“ sein, um nicht wieder ins exponentielle Wachstum der Infektionen, in eine große dritte Welle zu geraten. Sie glaube nicht, dass den Bürgern ein Hin und Her von Öffnungen und Schließungen lieber wäre, „als noch ein paar Tage zu warten“. Stand heute: bis mindestens 7. März.
„Das Virus richtet sich nicht nach Daten“
Merkel macht klar, dass sie am Vortag in der Runde mit den Ministerpräsidenten gegen die Öffnung der Kitas und Grundschulen schon im Februar war. Sie hätte sich gewünscht, „hier entlang der Inzidenz zu entscheiden“. Doch sie habe auch akzeptiert, dass die Bundesländer in dieser Frage das Sagen hätten. Sie verteidigte auch die Entscheidung, weitere Öffnungen – bis auf die Friseurgeschäfte – nicht an einen Termin zu binden, sondern an die Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen einer Woche.
„Das Virus richtet sich nicht nach Daten, sondern nach Infektionszahlen“. Auch ihre Minister für Finanzen und Wirtschaft, Olaf Scholz (SPD) und Peter Altmaier (CDU), verteidigt die Kanzlerin. Sie stehen wegen der fehlenden Auszahlung der Überbrückungshilfen für Unternehmer in der Kritik. Sie hätten zugesagt, dass die neuen Anträge im Februar gestellt werden könnten, das sei seit dem Vortag der Fall. Die Überbrückungshilfen könnten im März ausgezahlt werden. „Wir müssen ausdauernd und geduldig sein“, sagt Merkel am Ende ihrer Rede, dann „können wir es schaffen, diese Pandemie gemeinsam zu besiegen“.