Merkel und Steinbrück : Sein Name
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Beweisen muss man es nicht, und doch konnte man es fast vergessen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weiß ganz genau, wer der Kerl ist, der ihr da ins Ohr parliert, auch wenn sie ihren Herausforderer von der SPD, einen gewissen Herrn Steinbrück, monatelang nicht mehr namentlich erwähnt hat. Bild: dpa
Angela Merkel sagt laut und deutlich: Steinbrück. Ist der Wahlkampf damit nun eröffnet? Oder handelt es sich nur um eine neue Wendung im ewigen Vorwahlkampf? Fest steht allerdings: Steinbrück hat sich wieder mal vertan.
Peer Steinbrück hat sich um schlappe vier Monate vertan. Ende vergangenes Jahres hatte der SPD-Kanzlerkandidat gemutmaßt, die Bundeskanzlerin strebe wohl einen kurzen Wahlkampf an, werde bis August einfach regieren - und seinen Namen nicht ein einziges Mal in den Mund nehmen. Seitdem er zu ihrem Gegenkandidaten gekürt worden war, hatte sie ihn nach jedem seiner rhetorischen Angriffe schlicht auflaufen lassen. Am Montag, genau fünf Monate vor der Bundestagswahl, tat sie es dann doch. Angela Merkel sagte „Steinbrück“. Einfach so. Es ist ihr nicht einmal herausgerutscht.
Die Kanzlerin hatte gerade allerlei Lob über sich ergehen lassen müssen. Sie war erschienen zur Vorstellung eines Buches über die Außenpolitikerin Angela Merkel und diskutierte mit dem Verfasser Stefan Kornelius, Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“, und Donald Tusk, dem polnischen Ministerpräsidenten, über Europa, Deutschland und Polen. Tusk fand so viel warme Worte über seine deutsche Freundin mit polnischen Wurzeln, dass es der Kanzlerin schon fast ein wenig peinlich schien. Als sie dann nach der Euro-Krise und ihrer Sparpolitik gefragt wurde, holte sie aus zu einer kleinen bundesrepublikanischen Fiskalgeschichte von den Jahren des Etatüberschusses unter Konrad Adenauer über die Lieber-Inflation-als-Arbeitslosigkeit-Politik der sozialliberalen Koalition bis hin zur heutigen Austeritätspolitik („Das hört sich ja ganz Böse an“). Vermeintlich beiläufig streute sie die Bemerkung ein, sie erinnere sich, wie sie mit Steinbrück zu Beginn der großen Koalition vereinbart habe, die Maastricht-Kriterien wieder einzuhalten.
Tusk: Mit Merkel keine Angst vor Deutschland
Das war Anfang November 2005 gewesen, die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, CSU und SPD liefen noch, Steinbrück war noch der designierte Finanzminister, sie noch die designierte Kanzlerin. Am militärischen Teil des Flughafens Tegel trafen beide mit EU-Währungskommissar Joaquin Almunia zusammen und versprachen ihm, bis 2007 das deutsche Defizit wieder unter die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Es war in gewisser Weise die erste Amtshandlung der großen Koalition, noch vor der Vereidigung der Bundesregierung - und lange vor der Garantie der Spareinlagen durch das gleiche Paar. Kurz nach der erstmaligen Nennung des Namens Steinbrück, der in seiner heutigen Rolle die Politik François Hollandes und Sigmar Gabriels loben muss, sagte die Kanzlerin noch: „Wachstum ist auch für mich wichtig. Ich möchte nur nicht, dass es auf falschen Prämissen aufbaut.“
Deutlicher musste sie nicht werden. Den Rest erledigte Tusk: Er sei froh, dass es wegen des umsichtigen Auftretens Angela Merkels in Europa keine Angst vor deutscher Dominanz gebe. Und er sei auch froh, dass sie und niemand anders Kanzler sei.