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Merkel und die Länder : Die vierte Phase der Pandemie

Bundeskanzlerin Angela Merkel Bild: EPA

Nach dem Scheitern des „Lockdown light“ überholen sich die Länder gegenseitig mit Beschränkungen im Kampf gegen Corona. Merkel lässt eine Spur Zufriedenheit erkennen.

          5 Min.

          Noch bevor der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Freitagvormittag in der Düsseldorfer Staatskanzlei ans Mikrofon tritt, ist endgültig klar, dass die Bundesländer mit der Idee eines sanften Teil-Lockdowns gescheitert sind. Schon seit einigen Minuten gibt Daniel Günther, Laschets Amtskollege und Parteifreund aus Schleswig-Holstein, in Kiel eine Regierungserklärung zur dramatischen Lage ab.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.
          Eckart Lohse
          Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin.
          Rüdiger Soldt
          Politischer Korrespondent in Baden-Württemberg.

          Beinahe 30.000 Neuinfektionen und 600 Tote binnen eines Tages hatte das Robert-Koch-Institut am Morgen für ganz Deutschland gemeldet. Günther, dessen Land weniger stark als die mittel- und süddeutschen Länder betroffen ist, macht unmissverständlich klar: Ein  Lockdown muss nun rasch kommen.

          In Düsseldorf nimmt Laschet den Ball auf. Mit Günther hat sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in den vergangenen Tagen besonders intensiv ausgetauscht. Lange hatte Laschet wie viele andere Regierungschefs gehofft, mit einem „Wellenbrecher-Lockdown“ werde es gelingen, den Leuten ein einigermaßen unbeschwertes Weihnachtsfest im immerhin mittelgroßen Familienkreis zu ermöglichen.

          Laschet musste bei seinem Kurs auch auf seinen Koalitionspartner FDP Rücksicht nehmen. In Berlin attackiert FDP-Chef Lindner den Corona-Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) regelmäßig scharf, und in Düsseldorf hatten die Freien Demokraten den Teil-Lockdown nur mit Zähneknirschen mitgetragen. Doch am Freitag sieht der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp (FDP) in der Düsseldorfer Staatskanzlei nicht den geringsten Grund für einen eigenen Akzent.

          „Wir können nicht bis Weihnachten warten“ 

          Laschet ruft nun zu Eile und Härte auf. Angesichts der Infektionszahlen müsse ein Lockdown in Deutschland „schnellstmöglich kommen“, es gelte schnell und entschlossen zu handeln. „Wir können nicht bis Weihnachten warten.“ Nur scheinbar nebenbei erwähnt Laschet, dass er „heute Morgen nach einer ganzen Nacht der Arbeit auch mit der Bundeskanzlerin über unsere Vorschläge gesprochen“ habe.

          Es gelte, „jetzt die exponentiell beginnende Kurve ganz am Anfang zu brechen“. Geschäfte müssten jetzt „schnellstmöglich“ bis zum 10. Januar schließen. Geöffnet bleiben sollen nur Läden für die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs. Hamsterkäufe und überfüllte Läden in der Zeit davor müssten ausgeschlossen werden. Zudem wird die Präsenzpflicht an Schulen in NRW von Montag an aufgehoben.

          Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet spricht am Freitag vor Journalisten.
          Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet spricht am Freitag vor Journalisten. : Bild: AFP

          Von welchem Tag an der Lockdown für den Handel gelten soll, will Laschet „mit Absicht“ nicht mitteilen. Es gehe um einen Konsens aller Länder, der beim nächsten Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gefunden werden müsse. „Wenn jedes Land jetzt einen Tag vorschlägt, der eine sagt, der vierte Advent, der Nächste, der Samstag, der Dritte, der Freitag, dann führt das zur Verwirrung.“ Deshalb sei es sein Wunsch, dass sich Länderchefs mit der Kanzlerin „so schnell wie möglich, besser noch am Samstag als am Sonntag“, abstimmten, damit überall in Deutschland Klarheit herrsche.

          In Berlin wird am Freitag noch kein Termin bestätigt, was aber nicht bedeutet, dass es keinen geben wird. Die Kanzlerin hat ja ihr Angebot, sich mit den Ländern zu besprechen, noch am Mittwoch im Bundestag bekräftigt. Es geht den Ländern nicht nur darum, dass Geschäfts- oder Schulschließungen leichter zu erklären sind, wenn sie für ganz Deutschland beschlossen werden. Es geht vor allem darum, dass der Bund bei den Finanzhilfen die Hauptlast trägt.

          Auch in Baden-Württemberg hofft Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) auf möglichst schnell vereinbarte länderübergreifende, einheitliche Regelungen für einen harten Lockdown. Um vor den Beschlüssen der sich abzeichnenden Videokonferenz mit Merkel keine weitere Zeit zu verlieren, verordnet die Landesregierung von Samstag an eine Ausgangsbeschränkung tagsüber und ein Ausgangsverbot zwischen 20 und fünf Uhr.

          Tagsüber sollen die Bürger nur noch mit guten Gründen das Haus verlassen. „Wir müssen die Zahl der Neuinfizierten schnell herunterdrücken“, sagte Kretschmann nach einer Kabinettssondersitzung der grün-schwarzen Landesregierung am Freitagvormittag. „Ein Niveau von mehr als 20.000 Neuinfizierten ist nicht kontrollierbar, zumal wir eine hohe Dunkelziffer haben.“

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