Rede vor der Körber-Stiftung : Maas: „Außenpolitik ohne Illusionen“
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„Deutschland muss seine NATO-Beiträge leisten“: Heiko Maas will die SPD-Außenpolitik auf Kurs halten – und seinen Nachfolgern raten. Bild: AFP
Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit plädiert Außenminister Heiko Maas für eine pragmatische Ausrichtung Deutschlands in der Welt. Das Land sei für die Herausforderungen der Zukunft gut aufgestellt.
Der scheidende Außenminister Heiko Maas (SPD) sieht in der Außenpolitik die „Zeit für ein Ende der Illusionen“ gekommen. In einer solchen „Desillusionierung“ stecke die Chance „für eine neue politische Nüchternheit, für undogmatische Zuversicht, für einen pragmatischen Realismus“, sagte Maas laut vorab veröffentlichtem Redemanuskript auf dem außenpolitischen Forum der Körber-Stiftung am Montagmorgen in Berlin. Zu einer sachlichen Analyse der Lage gehörten drei Elemente, so Maas weiter: Erstens bewirke die aktuelle Ära der Transformation in der Welt, dass sich ein System bilde, in dem gleichzeitig mehr Wettbewerb und mehr Kooperation herrschten, in dem „Staaten mehr trennt, während sie sich gleichzeitig so nah sind wie nie zuvor.“
Zweitens habe aber Deutschland „alle Voraussetzungen, um in einer solchen kompetitiven, kooperativen und vernetzten Welt zu bestehen“. Maas zählte auf: „Unsere Wirtschaft ist stark, unsere Gesellschaft stabil, unser Staat handlungsfähig“. Deutschland habe starke Partner und Verbündete in EU und NATO; es sei „ein aktiver Spieler im globalen Multilateralismus“. Es müsse auf dieser Basis „den ambitionierten Weg weitergehen, den es in den letzten Jahren eingeschlagen hat“.
Maas nannte als verändernde Bedingung – und womöglich als Mahnung an die kommende Bundesregierung – allerdings, deutsche Außenpolitik müsse „mehr sein als die Verlängerung deutscher Innenpolitik“, sonst stießen künftig „hehre deutsche Ansprüche“ mit „weltpolitischen Realitäten“ zusammen. Vielmehr gelte es, zwei Prioritäten gleichzeitig zu verfolgen: „wir müssen unsere eigene Position stärken – und wir müssen mehr mit allen Staaten der Welt kooperieren“.
Nach seiner Ansicht zählt dazu auch der „Dialog mit jenen, die unsere Werte nicht teilen“. Politische Ansätze wie „maximum pressure“ und Isolationsversuche „oder das Beharren auf der eigenen moralischen Überlegenheit“ führten in der internationalen Politik selten ans Ziel. Maas zählte Erfolge diplomatischen Engagements seiner Amtszeit auf: den Friedensprozess in Libyen, die Rückkehr zu den Atomverhandlungen mit Iran, die Streitschlichtung zwischen der Türkei und Griechenland. Und er rief die Stichworte jener Herausforderungen auf, in denen Verhandlungen mit allen Ländern nötig seien, um Fortschritte zu erreichen: Klimawandel, globale Wirtschaftsentwicklung, Corona-Bekämpfung.
Maas: Deutschland muss seine NATO-Beiträge leisten
Um im außenpolitischen Wettbewerb zu bestehen, müsse Deutschland allerdings wirtschaftlich und technologisch führend bleiben und „weiter seine Beiträge“ für die NATO leisten. Beides sei die Voraussetzung, um Staaten wie Russland und China international begegnen zu können. Maas sagte, „Staaten wie Russland und China setzen die regelbasierte Ordnung, das Völkerrecht und die universellen Menschenrechte unter Druck“. Hybride Bedrohungen und Desinformation „nagen an unseren offenen Gesellschaften“. Das „chinesische System“ stehe für „autokratische Werte, nach denen wir in demokratischen Staaten nicht leben wollen“. Zu Russland hingegen wünsche er sich „bessere Beziehungen“, doch brauche es dafür Fortschritte bei der Lösung des Konflikts in der Ostukraine. Zuletzt habe Moskau allerdings „ein Treffen der Außenminister des Normandie-Formats (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland) verweigert. Der Ball für Lösungen liege „im Feld Moskaus“.
Maas prophezeite, die EU werde im Blick auf die Ukraine „weiter mit einer Stimme sprechen. Und er beschrieb als zentrale außenpolitische künftige Aufgabe, dass Deutschland Brückenbauer zu den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern bleiben müsse. Maas sagte, „eine Spaltung Europas in Ost und West, in ein Europa der zwei Geschwindigkeiten, das unsere östlichen Nachbarn als ein Europa erster und zweiter Klasse empfinden, schwächt uns alle“. Es gelte, Europa nach innen zusammenzuhalten und nach außen souveräner zu machen.