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Fall Lübcke : Bundesanwaltschaft geht von rechtsextremistischer Tat aus

Mit einem Festumzug auf dem Hessentag in Bad Hersfeld wurde am Sonntag des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) gedacht Bild: dpa

Der im Fall Lübcke festgenommene Tatverdächtige soll mehrfach wegen schwerer Straftaten aufgefallen sein – und einer Neonazi-Vereinigung nahestehen. Die Bundesanwaltschaft hat „umfassendes Beweismaterial“ sichergestellt.

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          Bei dem im Fall des erschossenen Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) festgenommenen Verdächtigen erhärtet sich der Verdacht auf einen rechtsextremistischen Hintergrund der Tat. Grundlage seien das Vorleben und frühere Äußerungen des festgenommenen 45 Jahre alten Mannes, der dringend tatverdächtig sei, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft am Montag in Karlsruhe. Außerdem sei „umfassendes Beweismaterial“ in der Wohnung des Verdächtigen sichergestellt worden – unter anderem Datenträger. „Wir gehen natürlich auch der Frage nach, ob und inwieweit bislang unbekannte Hintermänner oder Tatbeteiligte in die Tat eingebunden waren“, sagte der Sprecher.

          Eckart Lohse
          Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin.
          Julian Staib
          Politischer Korrespondent für Norddeutschland und Skandinavien mit Sitz in Hamburg.
          Markus Wehner
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Die Behörde hatte am Vormittag die Ermittlungen aufgrund „der besonderen Bedeutung des Falls“ an sich gezogen. Die Bundesanwaltschaft ist die oberste Strafverfolgungsbehörde im Bereich des Staatsschutzes in Deutschland. Sie ermittelt in „schwerwiegenden Staatsschutzstrafsachen“, die die innere oder äußere Sicherheit in besonderem Maße berühren wie etwa im Falle politisch motivierter Delikte.

          Wie FAZ.NET aus Sicherheitskreisen erfuhr, war Stephan E. früher in rechtsextremistischen Kreisen sehr aktiv und ist deshalb mehrfach polizeilich aufgefallen. Derzeit werde geprüft, ob das in letzter Zeit noch der Fall gewesen sei. Sicher sei aber, dass der Mann schwer kriminell war, was allgemeine Kriminalität angeht. So soll Stephan E. mehrfach (schwere) Körperverletzung begangen haben, auch in den letzten Jahren. Daher habe man auch seine DNA, hieß es am Montag aus Sicherheitskreisen.

          Im Umfeld der hessischen NPD aktiv

          Deren Spuren auf Lübckes Kleidung hatten die Ermittler zu dem Tatverdächtigen geführt. Diese waren mit einer Datei des Bundeskriminalamts abgeglichen worden.  Den Angaben zufolge war der Mann, der nun in Kassel in Untersuchungshaft sitzt, vor dem Jahr 2009 mehrfach durch schwere und teilweise rechtsextremistisch motivierte Straftaten aufgefallen. Aus Ermittlerkreisen wurde FAZ.NET bestätigt, dass der Verdächtige im Jahr 1993 einen Anschlag auf ein Asylbewerberheim im hessischen Hohenstein-Steckenroth verübt hat. Damals war ein brennendes Auto an der Unterkunft im Rheingau-Taunus-Kreis gerade noch rechtzeitig gelöscht worden, bevor der selbst gebastelte Sprengsatz auf der Rückbank detonieren konnte. Nach der Tat in Hohenstein und der Festnahme hatte die Polizei damals mitgeteilt, der 20 Jahre alte Mann habe zugegeben, allein und aus ausländerfeindlichen Motiven gehandelt zu haben.

          2009 wurde der Mann nach Angaben aus Ermittlerkreisen demnach wegen Landfriedensbruch verurteilt, nachdem er eine Gewerkschaftsveranstaltung in Nordrhein-Westfalen überfallen hatte. Den Kreisen zufolge soll der Mann in der Vergangenheit auch im Umfeld der hessischen NPD aktiv gewesen sein und der Neonazi-Vereinigung „Combat 18“ nahestehen.

          „Combat“ steht für Kampf, 18 für die Anfangsbuchstaben des Namens von Adolf Hitler. Das Netzwerk war auch in Hessen aktiv, das schreibt der Landesverfassungsschutz in seinem Bericht 2017. Ein Sprecher des Verfassungsschutzes wollte sich mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern, ob es noch aktive Mitglieder gibt. Im Verfassungsschutzbericht 2017 heißt es, es sei davon auszugehen, „dass zumindest bei einem Teil der Mitglieder bzw. Anhänger von Combat 18 Deutschland eine Waffenaffinität und Gewaltbereitschaft besteht“. „Combat 18“ gilt als bewaffneter Arm des verbotenen Neonazi-Netzwerks „Blood & Honour“. Letzterem gehörten auch Mitglieder sowie Unterstützer des NSU an. Zwei der Opfer des Terror-Netzwerkes stammten aus Hessen: Enver Simsek, ein Blumenhändler aus dem hessischen Schlüchtern wurde in Nürnberg ermordet, Halit Yozgat, Betreiber eines Internetcafés, wiederum in Kassel.

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