F.A.Z. exklusiv : Kanzlerin erst spät über Inhalt der türkischen Spionage-Liste informiert
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Der BND-Chef Bruno Kahl ist in die Kritik geraten. Bild: dpa
Tagelang wird die Liste des türkischen Geheimdienstes MIT nicht gründlich ausgewertet. Die Regierung bleibt hinsichtlich der Bespitzelung einer Bundestagsabgeordneten völlig ahnungslos und ärgert sich über den BND-Chef.
Die Liste des türkischen Geheimdienstes MIT über angebliche Unterstützer der Gülen-Bewegung ist offensichtlich erst sehr spät gründlich ausgewertet worden. So erfuhren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) erst durch die Presse, dass die Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering (SPD) auf der Liste steht.
Dabei hatten die Kanzlerin und die Minister am Mittwochvormittag im geheim tagenden Bundessicherheitsrat anderthalb Stunden über die schwierigen Beziehungen mit der Türkei gesprochen. Auch BND-Chef Bruno Kahl war anwesend. Er erwähnte die Nennung der Abgeordneten in der Liste mit keinem Wort.
Unzufriedenheit breitet sich schon seit Längerem aus
Der Unmut über Kahl in der Regierungsspitze ist deshalb groß. Aus Sicherheitskreisen heißt es, dass auch der BND-Chef nicht über die Nennung Münteferings informiert war. Er hätte sonst schon am Dienstag in der sogenannten Sicherheitslage im Kanzleramt davon berichten müssen, bei der sich die Präsidenten der Nachrichtendienste mit den für Sicherheit zuständigen Ministerien austauschen.
Passau : De Maizière warnt vor möglicher türkischer Spionage
Kahl hatte die Liste Mitte Februar vom Chef des türkischen MIT erhalten und an das von Hans-Georg Maaßen geleitete Bundesamt für Verfassungsschutz weitergeleitet. Das übermittelte sie an das Bundeskriminalamt und die Sicherheitsbehörden der Länder. Obwohl die Liste nur 300 Namen und Organisationen umfasst, wurde der Name Müntefering erst am Montag vom BKA entdeckt.
Beamte des BKA warnten daraufhin die Abgeordnete und Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Das führte aber nicht dazu, dass auch das Kanzleramt oder der Innenminister persönlich informiert wurden. So kam es, dass der Innenausschuss des Bundestags am Mittwoch vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesinnenministerium Günter Krings (CDU) – noch ohne Nennung des Namen Müntefering – in Kenntnis gesetzt worden war, während die Regierungsspitze noch völlig ahnungslos war. Der Vorfall befeuert die Unzufriedenheit in der Bundesregierung mit den Leitern der Nachrichtendienste, über deren Kommunikationsverhalten es schon länger Klagen gibt.