Linksextremismus : Die immer recht haben
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Die Geschichte des Schwarzen Blocks geht auf das Jahr 1980 zurück, als eine Gruppe von Anarchisten und Autonomen sich in Frankfurt diesen Namen gab und in der Innenstadt die Glasscheiben von Banken und Geschäften zerstörte. Über Jahrzehnte war der Schwarze Block ein Phänomen der linksradikalen Szene. Mittlerweile gibt es den Schwarzen Block auch unter Rechtsextremisten, die bei Aufmärschen nicht nur im Erscheinungsbild ihren Erzfeinden gleichen, sondern in der Gewaltbereitschaft und im moralischen Überlegenheitsgefühl. Für beide Enden des politischen Spektrums hat die Vermummung allein ein Ziel: Sie diene der Tarnung, um auf Polizeivideos nicht identifizierbar zu sein und „militante Aktionen“ durchführen zu können, wie Hannah und Tom sagen. Ob sie dabei schon Steine geworfen haben, sagen die beiden nicht. Warum Gewalt aus ihrer Sicht legitim sein kann, hingegen schon.
„Ich erkenne das Gewaltmonopol des Staates nicht an“, sagt Tom. „Der Staat setzt damit Sachen um, die dem widersprechen, was ich unter einer guten Gesellschaft verstehe. Die Gewalt, die wir bei Demonstrationen ausüben, ist nur die praktische Entsprechung der Politik.“ Dabei ist das Denken in Monopolen auch Tom nicht fremd, er beansprucht eines in moralischer Hinsicht. Der – aus seiner Sicht – zutiefst bürgerliche Einwand, in einer Demokratie sollte eine Minderheit ihre Interessen nicht mit Zwang durchsetzen, beeindruckt Tom nicht. Er sieht sich als Teil einer Avantgarde. „Die Linke war immer für Modernisierungen der kapitalistischen Verwertungskette zuständig.“
Nach Ansicht des Direktors des Bochumer Instituts für soziale Bewegungen, Stefan Berger, sind solche Sätze, historisch betrachtet, ein Rekurs auf den Avantgarde-Gedanken von Lenin. „Danach weiß die Avantgarde des Proletariats besser, wie die Probleme der Gesellschaft zu lösen sind, als das Proletariat selbst. Deshalb ist die Avantgarde sogar berechtigt, gegen den Willen der Mehrheit vorzugehen, weil die Mehrheit ein falsches Bewusstsein haben könnte.“ Ein Ausdruck dieses Gedankens sei ein Liedtext von Louis Fürnberg aus dem Jahr 1950: „Die Partei, die Partei, die hat immer recht“, erklärt Berger. Auch Hannah sagt Sätze, die nach Lenin klingen: „Ich kann der parlamentarischen Demokratie nichts abgewinnen.“ Es gebe innerhalb der verfassungskonformen Meinungsbildung „keine Gestaltungsmöglichkeiten“, weil ihre (linksradikalen) Forderungen im parlamentarischen Prozess von den Mehrheitsführern „ausgesiebt“ würden.
Andere formulieren solche Ansichten noch vehementer. Auf der Internetseite black-block.de lobt ein Aktivist das Gewaltpotential der Szene: „Im Handlungsdiskurs zwischen Linksradikalen und Staatsmacht bildete sich tatsächlich der Eindruck, dass Steinewerfen und Autos abzufackeln nützlich sein kann.“ Und in einer Rede während einer Demonstration am 2. Oktober 2003 in Bad Homburg sagte ein Aktivist der Antifaschistischen Initiative Heidelberg zu schwarz vermummten Demonstranten: „Dummheit muss mit militanter Aufklärung entgegengetreten werden; funktioniert auch dies nicht, muss dies mit aufklärender Militanz geschehen . . . Menschliche Emanzipation kann es nur gegen Deutschland geben. Kapitalismus abschaffen! Deutschland auflösen!“ In einem Bericht des baden-württembergischen Verfassungsschutzes wird diese Rede als ein Beleg für die staatsgefährdende Tendenz der autonomen Szene verstanden.