Linke : Die ehemalige Volkspartei
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Die Linken: Lafontaine (li.) und Bisky Bild: ddp
Vor dem Fusionsparteitag im Juni versuchte die Linksfraktion, als wahre Vertreterin ostdeutscher Interessen zu glänzen. Durch die Westausdehnung wird „Die Linke“ nun zu einer linken Partei westdeutscher Prägung.
Wer lacht, wenn die PDS als Volkspartei bezeichnet wird, stammt aus dem Westen. In Berlin wurde kürzlich auf die Sonntagsfrage „Was würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahlen wären?“ geantwortet: 21 Prozent würden die Partei Die Linke wählen, 23 Prozent die CDU, 24 Prozent die SPD. Das sind bloß Umfragen. Aber in Thüringen sieht es ähnlich aus: Es gibt drei fast gleich starke Parteien. Als die SED 1990 zur PDS wurde, trauten ihr nur wenige eine Existenz bis zur Jahrhundertwende zu. Als sich die PDS 2006 Linkspartei taufte, waren Wahlergebnisse um die 20 Prozent in den ostdeutschen Ländern üblich geworden. 2006 in Berlin empfand die Linkspartei ihr Abschneiden mit 13,4 Prozent sogar als „bittere Niederlage“. Fünf Jahre zuvor hatte sie 22,6 Prozent (im Ostteil der Stadt mit fast 50 Prozent) erzielt.
Der rasante Mitgliedergewinn seit dem Gründungsparteitag vor einem Monat - von 3000 Neueintritten ist die Rede - überlagert, dass mit Linkspartei und WASG schwache und ungleiche Partner, die einander erst seit kurzem kennen, zur „drittstärksten Kraft“ in Deutschland aufsteigen: Die überalterte Mitgliedschaft der PDS sank auf zuletzt 60.000, und sie lebt überwiegend im Osten Deutschlands. Die vornehmlich im Westen aktive WASG hatte angeblich mehr als 10.000 Mitglieder, jede Karteileiche zählte mit.
Im Westen angekommen, den Osten nicht vergessen
Wer lacht, wenn die PDS als Volkspartei vorgestellt wird, kennt die Zeitschrift „Super-Illu“ wohl nur vom Hörensagen. Doch auch für die gesamtdeutsche Partei Die Linke nimmt die Relevanz der „Super-Illu“ ab. Die der Zeitung „Bild“ wächst. Stolz wurde mitgeteilt, „Bild.de“ taxiere das Wählerpotential der neuen Partei auf 24 Prozent. In Umfragen liegt sie bundesweit zwischen zehn und 14 Prozent. Die veröffentlichten Nebeneinnahmen der Vorsitzenden ihrer Bundestagsfraktion stammen von „Bild“ (Lafontaine) und „Super-Illu“ (Gysi), was programmatisch heißt: im Westen angekommen, den Osten nicht vergessen. In Gesamtdeutschland ist die Partei Die Linke so wenig Volkspartei wie die Grünen oder die FDP. Koalieren könnte sie nur mit der SPD, der Partei, die sie schärfer kritisiert als alle anderen.
Der Linkspartei war es recht, als Platzeck 2006 den SPD-Vorsitz abgab: Mit Beck an der Spitze, hieß es, sei die SPD wieder eine klassische „Westpartei“. Mit Lafontaine wird nun umgekehrt aus einer ehemals ostdeutschen Volkspartei eine linke Partei. „Ost“ und „West“ verlieren als politische Begriffe an Aussagekraft. Kurz vor dem Fusionsparteitag versuchte die Linksfraktion im Bundestag noch einmal, sich als wahre Vertreterin ostdeutscher Interessen zu empfehlen. Journalisten waren genug da, doch fehlte der Stoff: Eine Nachricht gab eine parlamentarische Anfrage zur Lage im Osten samt Antwort der Bundesregierung einfach nicht her.
PDS als „Kümmererpartei“ stark geworden
Für den Spagat zwischen dem Abschied von Ostdeutschland und der Westausdehnung per Fusion gab die junge sächsische Bundestagsabgeordnete Katja Kipping der neuen Partei einen Rat: Sie möge die Basis der in den neunziger Jahren gewonnenen Position nicht vergessen. Stark geworden sei die PDS als „Kümmererpartei“: „Für kein Problem waren wir uns zu fein!“ Ob Mietersorgen oder Angst der Langzeitarbeitslosen vor Hartz IV: Die PDS organisierte Demonstrationen - und half beim Formularausfüllen. Im Osten war sie als Milieu- und Protestpartei weit über die eigene Mitgliedschaft und über die ehemals privilegierten Funktionäre der SED (mit einstmals 2,3 Millionen Mitgliedern) und weit über die jeweiligen Anlässe des Protests hinaus verankert.