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Geplante Lauterbach-Entführung : Mutmaßliche Terrorgruppe angeklagt

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Bild: dpa

Die Bundesanwaltschaft hat Anklage gegen vier „Reichsbürger“ erhoben. Die Beschuldigten sollen einen Staatsstreich und „bürgerkriegsähnliche Zustände“ geplant haben.

          3 Min.

          Im Fall der geplanten Entführung des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen vier Männer und eine Frau erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, eine inländische terroristische Vereinigung gegründet zu haben, beziehungsweise deren Mitglied gewesen zu sein.

          Marlene Grunert
          Redakteurin in der Politik.

          Sven B., Michael H., Thomas O. und Elisabeth R. wird auch vorgeworfen, ein sogenanntes hochverräterisches Unternehmen gegen den Bund vorbereitet zu haben. Zwei der Männer sollen darüber hinaus eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet haben. Hinzu kommen waffenrechtliche Vorwürfe und solche der Terrorismusfinanzierung.

          Spätestens Mitte Januar 2022 sollen sich die Beschuldigten  mit dem Ziel  zusammengeschlossen haben, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen.Tote und Verletzte nahmen sie laut Anklage in Kauf. Auch ihnen ging es offenbar um den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie – Ziele, die laut Bundesanwaltschaft auch die Gruppe der „Reichsbürger“ verfolgte, gegen die Ende vergangenen Jahres eine bundesweite Razzia mit zahlreichen Festnahmen durchgeführt wurde. Zu dem Fall bestehen auch personelle Verbindungen. Sven B., der nun angeklagt wurde, zählte laut F.A.Z.-Informationen auch Anfang Dezember zu den Beschuldigten.

          Vereinigung mit militärischem und administrativem Zweig

          Auch die nun angeklagten Fünf folgten laut Bundesanwaltschaft einer Ideologie, „nach der die auf dem Grundgesetz beruhende staatliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland keine Geltung beanspruchen“ kann. Vielmehr existiere dieser Ideologie zufolge das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. „Daher müsse hier wieder ein autoritär geprägtes Regierungssystem nach dem Vorbild des Deutschen Kaiserreichs etabliert werden“, heißt es in der Mitteilung weiter.

          Laut Anklage hatte die Vereinigung einen „militärischen“ und einen „administrativen Zweig". Ein dreistufiger Plan sollte offenbar zur Machtübernahme führen: Zunächst habe ein längerer bundesweiter Stromausfall verursacht werden sollen. Dann habe die gewaltsame Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestanden; laut Bundesanwaltschaft nahmen die Beschuldigten in Kauf, zunächst seine Personenschützer zu töten.

          Die erhofften anschließenden bürgerkriegsähnlichen Zustände sollten es der Vereinigung laut den Ermittlern ermöglichen, in Berlin öffentlichkeitswirksam eine „konstituierende Versammlung“ anzuberaumen. Die bisherige Regierung sollte laut Anklage offiziell abgesetzt, eine neue „Führungsperson“ bestimmt werden. Sven B., Michael H., Thomas O. und Elisabeth R. sollten offenbar erst einmal zentrale Funktionen in der neuen Exekutive wahrnehmen.

          Zur Realisierung ihrer Umsturzpläne suchten Sven B. und Thomas O. laut Bundesanwaltschaft spätestens seit Oktober 2021 in verschiedenen Telegram-Chatgruppen nach Unterstützung.

          Zwischen Mitte Dezember 2021 und Mitte Februar 2022 hätten vier Zusammenkünfte in Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Thüringen stattgefunden, um das weitere Vorgehen zu planen.

          Thomas O. war offenbar für die Planung des „Blackout“ zuständig. Laut Bundesanwaltschaft kundschaftete er hierzu mehrere anschlagsgeeignete Objekte aus und beschaffte sich Kartenmaterial zur Strominfrastruktur.

          Sven B. sollte laut Anklage die Entführung Karl Lauterbachs leiten und mit militärischen Mitteln den Zusammentritt der „konstituierenden Versammlung“ absichern. Thomas O. und Sven B. versuchten offenbar, Waffen und Sprengstoff für die Vereinigung zu beschaffen. Mehrere Tonnen wollten sie laut Anklage aus dem ehemaligen Jugoslawien einführen.

          Eine besondere Rolle soll auch Michael H. übernommen haben. Laut Bundesanwaltschaft war er dafür zuständig, unmittelbar vor der Anberaumung der „konstituierenden Versammlung“ eine sogenannte False-Flag-Aktion zu inszenieren. Ein Schauspieler sollte dabei offenbar den amtierenden Bundespräsidenten oder Bundeskanzler live im Fernsehen imitieren und verkünden, dass die Bundesregierung abgesetzt sei und nunmehr wieder die Verfassung von 1871 gelte.

          Die vier Männer wurden schon am 13. April 2022 festgenommen und befinden sich seitdem in Untersuchungshaft. Auch damals hatte es eine groß angelegte Aktion der Polizei gegeben. 270 Beamte durchsuchten in sieben Bundesländern 20 Objekte. Sie fanden 14 Langwaffen, sieben Kurzwaffen und eine Kalaschnikow. Insgesamt nahmen die Ermittler 70 Personen in den Blick.

          Elisabeth R. wurde vergangenen Oktober festgenommen. Sie soll die ideologische Führerin gewesen sein. F.A.Z.-Informationen zufolge handelt es sich um eine 75 Jahre alte Frau aus dem Großraum Chemnitz.

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