
Kollektivierung : Die Farce des Kevin Kühnert
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Will zurück zu den sozialistischen Wurzeln der SPD: der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert Bild: dpa
Macht der Juso-Chef jetzt den Bernie Sanders? Die neuen Sozialisten wirken seltsam aus der Zeit gefallen. Wie übrigens auch ihr Widerpart, die Nationalisten.
Immerhin: Die Marktwirtschaft will Kevin Kühnert nicht gleich abschaffen. Nur reicht ihm die „soziale“ nicht, sie sollte sozialistisch sein, also ohne Kapitalismus. Wie das eine mit dem anderen zusammenpassen soll, das ist die Frage, an der die Sozialdemokraten lange gescheitert sind, bis sie sich im Godesberger Programm auf einen historischen Kompromiss einigten – eben, in drei Teufels Namen, auf die „nur“ soziale Marktwirtschaft. Wie daraus eine sozialistische werden könnte, ist für Kühnert ganz einfach: durch Demokratie.
Das erinnert ein wenig an die schwedischen Sozialdemokraten, die in den siebziger Jahren die Unternehmer durch Anteilsscheine für die Arbeitnehmer durch die genossenschaftliche Hintertür enteignen wollten. Das ging selbst dem Sozialisten Olof Palme zu weit, der dem Gedanken, den Sozialismus mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu erreichen, allerdings nicht abhold war.
Ja, was waren das noch für Zeiten! Im Kampf der Ideologien hatten die europäischen Sozialisten damals die Nase noch vorn, weil sie einen „dritten Weg“ zwischen Kapitalismus und Kommunismus verhießen, der dann in den achtziger und neunziger Jahren aber ganz woanders endete, nämlich in noch mehr Marktwirtschaft, im Blair-Schröder-Papier, in der Agenda 2010, im „Neoliberalismus“. Nicht als dessen Bändiger sieht sich die SPD-Linke heute, sondern als dessen Beute und Opfer.
Die Sehnsucht ist deshalb groß, an die Zeit davor anzuknüpfen, um wieder ideologischen Halt zu bekommen. Auf den Gedanken, die Reformen der neunziger Jahre nicht als Rückschritt, sondern als Fortentwicklung sozialdemokratischer Programmatik zu begreifen, kommt in der SPD heute niemand mehr – wie auch, wo doch ihr wirtschaftspolitischer Sachverstand auf sechs Buchstaben geschrumpft ist: Scholz.
Nicht nur die frohlockende Linkspartei, auch die SPD-Linke verspricht sich von dieser Restauration den Aufwind, den andernorts ein Bernie Sanders oder Jeremy Corbyn erlebt haben. Sie wirken in ihren klassenkämpferischen Kostümen, mit ihren Anleihen aus den Tagen des Frühkapitalismus, mit ihren lehrbuchhaften Ideen, die dem vorletzten Jahrhundert entstiegen zu sein scheinen, seltsam aus der Zeit gefallen. Wie übrigens auch ihr Widerpart, die Nationalisten. Das erste Mal, da hatte Karl Marx wohl recht, enden solche utopischen Verstiegenheiten als Tragödie, das zweite Mal als Farce.