Ermittlungen gegen „Netzpolitik“ : Ein grober Fehler des Bundesanwalts
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Generalbundesanwalt Harald Range (Foto vom 4. Juni 2014) Bild: AFP
Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen netzpolitik.org sind ungeschickt, ja ein grober Fehler. Ein Skandal aber sind sie nicht. Ein Kommentar.
Ist die Pressefreiheit in Deutschland in Gefahr? Es scheint so, liest man die Kommentare der vergangenen Tage. Schließlich wird gegen Journalisten wegen Landesverrats ermittelt. Keine Kleinigkeit. Landesverrat bedeutet, dass jemand ein Staatsgeheimnis „einer fremden Macht“ mitteilt oder es öffentlich macht, „um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen“. Was ist geschehen?
Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen hatte Strafanzeigen gestellt. Grund war die Veröffentlichung interner Dokumente aus seinem Haus auf der Internet-Seite netzpolitik.org. Es ging dabei um den Ausbau der Internet-Überwachung durch sein Amt. Maaßen hatte kürzlich öffentlich darüber gezürnt, dass vertrauliche Dokumente öffentlich würden, „sobald sie den politisch-parlamentarischen Bereich erreichen“. Dass Behörden sich gegen den Verrat von Dienstgeheimnissen wehren, ist ihr gutes Recht. Nun wollte Maaßen ein Exempel statuieren. Die Anzeige erfolgte gegen „Unbekannt“ und „unter allen rechtlichen Gesichtspunkten“, das Innenministerium war bis zur Staatssekretärin hinauf unterrichtet, nicht aber Minister de Maizière. Es sei Maaßen um die Durchstecher der Dokumente gegangen, nicht um die Journalisten, heißt es.
Das Landeskriminalamt Berlin leitete die Anzeigen an die Bundesanwaltschaft weiter. Die muss, wie jede Staatsanwaltschaft, den Anfangsverdacht prüfen. Generalbundesanwalt Harald Range hätte einen Straftatbestand in Betracht ziehen können, der sich nur auf die Durchstecher bezogen hätte. Oder er hätte den Verdacht des Landesverrats mit Blick auf das hohe Gut der Pressefreiheit verneinen können. Er aber ließ gegen die Betreiber von netzpolitik.org ermitteln – wegen Landesverrats. Hatten die Journalisten die Bundesrepublik schädigen wollen? Als bekannt wurde, dass Range wegen Landesverrats ermittelt, geriet er unter hohen öffentlichen Druck. Ihm wird vorgeworfen, im Fall der NSA-Affäre nicht einmal mit der Fliegenpatsche vorzugehen, aber gegen Journalisten die schwerste Kanone in Stellung zu bringen.
Die Bundesregierung möchte diesen Eindruck unbedingt vermeiden. Justizminister Heiko Maas trat das Feuer am Freitag aus. Er ging bis an den Rand seiner Befugnisse, indem er öffentlich Zweifel an Ranges Entscheidung äußerte. Maas gab eine Weisung, ohne es offiziell zu tun. Ein Weisungsrecht hat der Justizminister aus gutem Grund gegenüber dem Generalbundesanwalt nicht, wenn es um Ermittlungsverfahren geht. Range hatte zuvor erfahren, was der Minister sagen würde. Und zog die Konsequenzen. Das Ermittlungsverfahren „ruht“. Es ist klar, dass es bald eingestellt wird.
Was bleibt? Ein Behördenleiter hat die Folgen einer Anzeige nicht gesehen. Ein Generalbundesanwalt hat sich vergaloppiert, die Dimension einer Entscheidung nicht erkannt. Ungeschickt, ja ein grober Fehler. Ein Skandal, der die Republik in ihren Grundfesten erschüttert, ist das aber nicht.