
Kommentar : Ein Warnsignal
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Jörg Kachelmann im Gerichtssaal Bild: dpa
Jörg Kachelmann wurde vom Verdacht der Vergewaltigung freigesprochen. Doch bleibt sein Ansehen nachhaltig geschädigt. Daran ändert auch das Urteil gegen den Axel Springer Verlag nichts.
Würde morgen wieder ein bekannter Fernsehmoderator unter Vergewaltigungsverdacht festgenommen und vor Gericht gestellt – würden die Medien ähnlich darüber berichten wie im Fall Kachelmann? Oder wird die Rekordsumme, zu welcher der Axel Springer Verlag nun in erster Instanz verurteilt wurde, zu mehr Zurückhaltung führen?
Fest steht: Pikante Details aus dem Intimleben von mehr oder weniger Prominenten sind jede Menge Geld wert. Daran besteht offenbar ein erhebliches öffentliches Interesse, und wenn Persönliches in einem Strafprozesse zur Sprache kommt – ums so besser fürs Geschäft. Doch dieses Interesse findet seine Schranken in den Rechten des Angeklagten und im Zweck des Strafprozesses.
Nur in einem fairen, rechtsstaatlichen Verfahren darf ein Mensch schuldig gesprochen und bestraft werden. Bis dahin hat jeder das Recht, als unschuldig zu gelten – und selbst verurteilte Schwerstkriminelle haben grundsätzlich einen Anspruch darauf, irgendwann wieder frei zu kommen und in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. Es ist eine der großen Herausforderungen der freien Mediengesellschaft, die Balance zwischen legitimer Information über ein Strafverfahren und einer faktischen Vorverurteilung zu halten.
Jörg Kachelmann „gesellschaftlich massiv beeinträchtigt“
Kachelmann ist immerhin – das nur zur Erinnerung – rechtskräftig freigesprochen worden. Das Kölner Landgericht ist nun zu dem Schluss gelangt, Kachelmann werde durch reißerische Berichterstattung auch in Zukunft als „frauenverachtender und gewaltbereiter“ Mensch stigmatisiert und dadurch in seinem Berufs- und Privatleben massiv beeinträchtigt bleiben.
Das ist nicht hinzunehmen, weil es eine Strafe wäre, die unser Rechtsstaat nicht vorsieht. Ebenso wie jeder Versuch, der Presse willkürlich einen Maulkorb zu verpassen, entschieden zu bekämpfen ist, muss jede mediale Hinrichtung bei Strafe verhindert werden.
Dabei ist das Urteil ein Warnsignal für jeden einzelnen. Denn zur Vernichtung eines Rufs gehören immer mehrere. Niemand hindert Fernsehsender, Geschäftspartner und Kunden daran, mit einem von einem schweren Vorwurf Freigesprochenen wieder zusammenzuarbeiten. Eine gezielte Medienkampagne gegen Kachelmann hat das Landgericht zu Recht nicht erkennen können. Es gibt aber so etwas wie eine kollektive gesellschaftliche Feigheit vor vermeintlichen Tugendwächtern. Dagegen hilft kein Gericht.