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Gute Gewalt? : Der Traum von einem anderen Reich

Blockade der Zufahrtswege nach Lützerath am 10.1.2023 Bild: Frank Röth

Der Begriff des „Klimaterrorismus“ erinnert daran, dass hehre Ziele oft als Rechtfertigung für Gewalt dienten. Aufstehen muss man gegen Unrechtsregime. Rechtsstaaten aber muss jeder stützen, der nicht an Willkür seine Freude hat.

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          Die gute Gewalt ist wieder auf dem Vormarsch. Die Gewalt, die dem größeren Ganzen dient und gegen die eigentlich niemand etwas haben kann. Also vielleicht die Staatsgewalt? Weit gefehlt. Gemeint ist die Gewalt im vermeintlichen Kampf gegen den Klimawandel. Das ist es jedenfalls, was sich die Selbstkleber der allerletzten Generation und die mutmaßlichen Freunde von Lützerath auf die Fahnen ge­schrieben haben.

          Es ist erstaunlich, wie schnell die Blockaden von Straßen und womöglich auch bald Steinwürfe auf Polizisten in einem geneigten öffentlichen Umfeld zu legitimen Widerstandsakten gegen eine uneinsichtige Politik umgewertet werden. Dabei werden nicht nur die Freiheitsrechte zahlreicher Verkehrsteilnehmer lächerlich gemacht – als ginge es nur um kurzzeitige symbolische Handlungen, nicht um erhebliche Folgen für zahlreiche Menschen.

          Bewährungsprobe für gerechte Politik

          Nein, es geht um die kontinuierliche Desavouierung demokratisch legitimierter Entscheidungen. Dabei können auch Verstöße der Bundesregierung gegen Klimaverträge niemals eine Rechtfertigung für kriminelles Handeln sein. Dagegen ist jeder öffentliche Protest, jede Abstrafung an der Wahlurne angebracht. Es sind auch rechtliche Verfahren gegen Rechtsverletzungen durch Staatsorgane möglich. Wer aber deshalb das Recht in die eigene Hand nimmt, der gibt jedem anderen auch das Recht dazu. Den Traum von einem anderen Reich träumen viele.

          Hoffentlich wird das „Unwort des Jahres“ nicht noch bittere Realität. Der Begriff des „Klimaterrorismus“ erinnert daran, dass hehre Ziele oft als Rechtfertigung für Gewalt dienten. Aufstehen muss man gegen Unrechtsregime. Rechtsstaaten und ihre Verfahren muss jeder stützen, der nicht an Willkür seine Freude hat. Lützerath wird auch eine Bewährungsprobe für eine gerechte Politik. Wer gewalttätigen Aktivisten nachgibt, verachtet die Schwachen und die Friedliebenden. Gerade die brauchen nämlich den Rechtsstaat und seine wirklich gute Gewalt.

          Reinhard Müller
          Verantwortlicher Redakteur für „Zeitgeschehen“ und F.A.Z. Einspruch, zuständig für „Staat und Recht“.

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