Klausurtagung der Koalition : Gipfel der Symbolik
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Ungetrübtes Bild: Nahles, Dobrindt und Kauder vor dem Gipfelkreuz auf der Zugspitze Bild: EPA
Das Koalitionstreffen auf der Zugspitze lud spätestens seit der jüngsten Wortmeldung Dobrindts zu allerlei Metaphorik ein. Dabei wurde auch gearbeitet.
Die große Koalition in Berlin hätte eigentlich genug zu tun, da müsste sie sich nicht noch mit der An- und Abreise zur Zugspitze beschweren. Trotzdem trafen sich eben dort die geschäftsführenden Fraktionsvorstände von CDU, CSU und SPD zu einer Klausur. Was will man auch machen, wenn der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt in seine Heimat einlädt, um den Partnern und Deutschland zu zeigen, dass Ganz Oben und Bayern im Grunde eins ist. Das Wetter war zunächst wunderbar, die Stimmung mal wieder eingetrübt. Zwar war Dobrindt mit der Vorsitzenden der SPD-Fraktion Andrea Nahles, mit der er sich gut versteht, schon am Sonntag auf Deutschlands höchsten Berg gefahren. Dass er am selben Tag seine sicher mit Bedacht gewählte Alliteration „aggressive Anti-Abschiebe-Industrie“ in die Welt setzte, machte er damit aber nicht ungeschehen. Aus der SPD kam starker Widerspruch, aus der CDU wahrnehmbarer.
Umso mehr Mühe wurde am Berggipfel auf die Inszenierung verwandt. Eine im Wind flatternde Plastiktüte, die die malerische Bildachse güldenes Gipfelkreuz-Nahles/Dobrindt/Volker Kauder zu beeinträchtigen drohte, wurde entfernt, Gasbrennarbeiten auf dem Dach der Bergstation vor Eintreffen der „Spitzen“ beendet.
Dobrindt tat erstmal, was er besonders gut kann: sich unschuldig geben. Zwar bediente er sich natürlich der Doppeldeutigkeit der Wendung „top of Germany“, ansonsten flocht er seinen Koalitionskollegen aber hübsche Freundlichkeitsgirlanden. Das Treffen sollte ja auch dem „Teambuilding“ dienen, was Dobrindt mit „Vertiefung unserer guten Zusammenarbeit“ definierte. So ähnlich hatte man das schon vor ein paar Wochen bei der Regierungsklausur gehört. Von den gegenseitigen Provokationen in der Asylpolitik sprach Dobrindt nicht, hingegen von der Klimapolitik, um die es hier auf der Zugspitze, wo man dem Gletscher beim Verschwinden zuschauen kann, „ganz selbstverständlich“ gehe. Außerdem, so Dobrindt, würden die Koalitionsspitzen ein Baukindergeld „auf die Reise bringen“: 12000 Euro je Kind auf zehn Jahre verteilt soll es vom Staat für den Eigenheimerwerb geben, rückwirkend zum 1. Januar 2018. Darüber hinaus sei ein Beitrag zum Neubau von Mietwohnungen geplant, etwa durch eine „Sonder-Afa“, also eine zusätzliche jährliche Abschreibungsmöglichkeit für die Abnutzung von Gebäuden.
„Der Geist von der Zugspitze“
Weder Andrea Nahles noch der Unionsfraktionschef Kauder nutzten die Gelegenheit zum Seitenhieb, auch auf mehrfache Nachfrage nicht. Nahles griff das Wort vom Teambuilding auf und ließ wissen, die Koalition habe „keine Angst vor Gipfeln“. Als konkrete Gesetzesvorhaben, die der SPD am Herzen lägen, kündigte sie an, es solle eine Offenlegungspflicht für Vermieter geschaffen werden, um eventuelle Mieter über die Vormiete zu informieren. Außerdem solle die Modernisierungsumlage für die Mieter abgesenkt werden, von elf auf acht Prozent. Kauder drehte dann die Symbolspirale noch ein bisschen weiter: Das Treffen auf der Zugspitze sei ein Zeichen dafür, dass sich die Koalitionsfraktionen „auf der Höhe der Zeit“ befänden, was man unter anderem daran sehe, dass die Koalition zwei Enquête-Kommissionen einsetzen werde: eine zur Bildung, eine zur Digitalisierung. Im Übrigen hätten sich die Klausurtagungen bewährt. Jedes Mal sei davon „ein kleiner Schub“ ausgegangen, man habe sich „besser kennengelernt“, weil man am Abend „mal über Dinge spreche, die man sonst im normalen täglichen Ablauf nicht besprechen kann“. Koalition heiße nicht, dass man immer in jeder Frage einer Meinung sei, aber „dass das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, umgesetzt wird“. Aber man könne eben nicht jedes Detail im Koalitionsvertrag festschreiben. Da komme es dann darauf an, dass man sich aufeinander verlassen könne. Er hoffe jedenfalls, so Kauder, dass „der Geist von der Zugspitze“, etwas voranzubringen, die Koalition die nächsten Jahre prägen werde.
Dass der Berg nicht nur sonnige Assoziationen weckt, daran erinnerten die Grünen, die in Sachen Inszenierung der CSU nicht mehr allein das Terrain überlassen wollen. Mit Bergsteigerbräune im Gesicht, Bergschuhen am Fuß und einem Kletterhelm in der Hand hatte sich ihr Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag, Ludwig Hartmann, vor dem Gletscher aufgestellt, im Hintergrund ein Grünen-Plakat: „Gletscher schützen – Klima retten.“ Er warf der CSU vor, sie missbrauche den Berg für medienwirksame Symbolbilder. Fürs Klima habe die Partei nichts getan. Bevor Hartmann sein Statement vor den Kameras beenden konnte, fuhr an der Gletscherstation ein schweres Lastfahrzeug vorbei, Hartmann stoppte, setzte nochmal an, forderte ein Klimaschutzgesetz, aber die große Koalition sei ja mehr mit dem Klima untereinander... da kam wieder das Fahrzeug vorbei. Wofür das nun wieder ein Symbol war?