
Kirchenaustritte : Im freien Fall
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Katholische Propstei St. Trinitatis Leipzig Bild: Charlotte Sattler
Die Kirchen müssen sich mehr um ihre Mitglieder kümmern und dürfen den Austrittsrekord nicht auf die Säkularisierung schieben.
Die beiden großen Kirchen befinden sich im freien Fall. Die neuen Austrittszahlen der EKD sind schon für sich genommen desaströs, werden aber von der Deutschen Bischofskonferenz vermutlich bald noch übertroffen. Der Hinweis, dass die Kirchen gegen die schleichende Säkularisierung weitgehend machtlos sind, ist berechtigt.
Die Austrittsrekorde aber haben sich die Kirchen selbst zuzuschreiben.
Ein Offenbarungseid
Denn der Umgang der katholischen Kirche mit der sexualisierten Gewalt gerät zu einem endlosen moralischen und organisatorischen Offenbarungseid. Die evangelische Kirche wiederum hat die Chance verpasst, sich von diesem klerikalen Sumpf rechtzeitig zu distanzieren und mit besserer Aufarbeitung zu überzeugen. Kirche wird in der Gesellschaft daher kaum noch mit dem Guten assoziiert, sondern hat eher ein Dunkelmann-Image.
Der Versuch, diesen Vertrauensverlust mittels noch stärkerer Politisierung zu kompensieren, ist zum Scheitern verurteilt, denn er führt zu innerer Polarisierung und noch mehr Austritten. Stattdessen muss es für die Kirchen darum gehen, vor Ort präsent zu bleiben, den Kontakt zu den Mitgliedern zu pflegen und sich über diese Nähe allmählich wieder Vertrauen zu erarbeiten. Ein Anfang wäre es, wenn die Bischöfe die dramatisch schrumpfenden Ressourcen entschlossen daran ausrichten, statt es sich in einer Moderatorenrolle bequem zu machen und die lieb gewonnenen, aber häufig toten Pferde ihrer Apparate zu reiten.