Kirche in der DDR : Was die Katholiken im Osten prägte
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Trotzdem könnten sich die Katholiken im Westen von ihren Geschwistern im Osten noch heute manches abschauen, meint Feige: vor allem, „dass die Kirche auch unter solchen komplizierten und armseligen Verhältnissen leben kann“. Dabei zeichnet Feige mitnichten ein Idealbild von der Kirche in der DDR und in den drei Jahrzehnten seit der Wiedervereinigung. So hätten sich die Bischöfe erst in den letzten Jahren der DDR gesellschaftlichen Bewegungen wie der „Ökumenischen Versammlung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ geöffnet, gibt Feige zu bedenken.
Was aber ihn und viele andere Katholiken bis heute prägt, ist Skepsis gegenüber jeder Ideologie, auch innerhalb der Kirche. „Der DDR-Staat war ein in sich geschlossenes System, in dem es auf jede Frage eine Antwort gab.“ Manches, was sich in der katholischen Kirche bis heute abspielt, lässt diese Zeit wieder lebendig werden. Eine Kirche, „wo alles stimmig ist und der Mensch sich anpassen muss oder er fällt raus“, ist nicht die Seine. Diese Haltung lässt ihn im Streit über die Teilnahme wiederverheirateter Geschiedener an der Eucharistie oder auch Fragen der Ökumene als „Progressiven“ erscheinen. Doch es sind die biographischen Prägungen, die Feige zu der letzten markanten Stimme des Ostens unter den deutschen Bischöfen hat werden lassen.
Freilich will man in der saturierten Kirche der alten Bundesrepublik bis heute wenig bis gar nichts vom Osten wissen, geschweige denn lernen. Die „Feier der Lebenswende“, ein Übergangsritual für Nichtgetaufte anstelle von Jugendweihe, Firmung und Konfirmation, ist nach wie vor ebenso eine ostdeutsche Eigenheit wie die RKW, die Religiöse Kinderwoche. Dasselbe „Kennen wir nicht, brauchen wir nicht“ zeigt sich in Missachtung der Berücksichtigung der Universität und des Priesterseminars Erfurt bei der geplanten Neuausrichtung der bundesweiten Priesterausbildung. Und in einem großangelegten Projekt unter dem Dach der katholischen „Kommission für Zeitgeschichte“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, dreht sich alles um den Katholizismus in der Bundesrepublik der sechziger und siebziger Jahre. Die DDR wird systematisch ausgeblendet.
Ähnliches passiert in der Debatte über die kirchliche Profilierung der Caritas-Einrichtungen. Längst ist auch im Osten die Caritas-Arbeit aus den meisten Gemeinden in professionelle Einrichtungen und Dienste ausgewandert. Und längst gehört im Osten die große Mehrheit der Mitarbeiter in katholischen Krankenhäusern, Kindergärten und Pflegeeinrichtungen nicht einer Kirche an. Das ist aber kein Grund, solche Einrichtungen aufzugeben. „Wir versuchen, die Mitarbeiter mit Kirche vertraut zu machen“, sagt Feige. Caritas sei nicht nur ein Türschild, sondern lebe durch das, was die Mitarbeiter an Qualitäten mitbrächten und worin sie im Licht der christlichen Botschaft von der unverfügbaren Würde des Menschen bestärkt würden.
Überhaupt möchte Feige von Kirche unter den Bedingungen der „Neuzeit“ nicht anders sprechen als von einer „wesentlich diakonischen“. Sicher seien die Einrichtungen der Caritas das Aushängeschild der Kirche in der Gesellschaft. „Aber wir sind hier nicht die Macher, und wir haben auch nicht das Sagen.“ Wenn die Kirche den Menschen helfen wolle, den Horizont weit zu halten und mit Hilfe des Evangeliums den Sinn des Lebens zu erschließen, dann auf diese diakonische, dienende Weise, auch auf dem Feld der Gottesdienste und des Glaubenszeugnisses im Alltag.