
Kanzlersturz in Wien : Kurz auf dem Rücksitz der Macht
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Sebastian Kurz verkündet seinen Rückzug. Bild: EPA
Der Machtverlust für die ÖVP ist vorerst abgewendet. Sebastian Kurz gehorchte nicht nur dem Druck der Grünen, sondern auch dem Druck aus der eigenen Partei. Wie lange geht das gut?
Sebastian Kurz muss ein weiteres Mal sein holzgetäfeltes Büro am Wiener Ballhausplatz räumen. Leicht fällt ihm das sichtlich nicht. In seiner Rücktrittsbegründung maß er dem grünen Koalitionspartner die Rolle des dolchstoßenden Brutus zu. Das ist kein gutes Vorzeichen. Sein Schritt soll schließlich die Grünen besänftigen und die Voraussetzung dafür schaffen, diese Regierung überhaupt fortsetzen zu können.
Kurz kann so aber kaschieren, dass auch aus der eigenen Partei bei allen Loyalitätsbekundungen der Druck groß war. Die Aussicht, in die Opposition zu gehen, ist für die ÖVP nicht verlockend. Seit sage und schreibe 1986 ist sie praktisch ununterbrochen an der Macht beteiligt.
Grund zur Nervosität hat die ÖVP, weil Blitzumfragen zeigen, dass ihre Anhänger die jüngsten Enthüllungen nicht als Kavaliersdelikte abtun. Es ist eine Ironie dieser Geschichte, dass es just Umfragen waren, die Kurz in Bedrängnis bringen, weil sie in einem System offensichtlicher Inseratenkorruption veröffentlicht wurden.
Kurz trägt die politische Verantwortung
Wobei klar gesagt werden muss: Dass Kurz an Straftaten Schuld trägt, ist nicht bewiesen. Die Chats, die jetzt aus den Akten tröpfchenweise veröffentlicht werden, sind für ihn peinlich, auch belastend, aber nicht der sprichwörtliche rauchende Revolver. Kaum zu bestreiten ist aber, dass Kurz die politische Verantwortung für die Affäre trägt. Es wäre gut, er würde sich dazu bekennen und sich nicht als reines Opfer inszenieren.
Kurz wird trotz seines „Schritts zur Seite“ maßgeblichen Einfluss behalten. Österreich ist nicht das erste Land in Europa, in dem der starke Mann das Ruder der Regierung vom Rücksitz aus bedient. Ganz glücklich ist das im Sinne der Klarheit von Verantwortung nicht, sicher auch nicht unkompliziert im Tagesgeschäft.
Ein Wunschmodell ist der veränderte Regierungsalltag nicht, sondern der Ausweg aus einer schweren Regierungskrise. Eine stabilere Lösung zeichnete sich nicht ab. Entscheidend für die ÖVP und Kurz ist ohnehin: Die Grünen scheinen vorerst noch an ihrer Seite zu bleiben.