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Streit über Rabbinerausbildung : „Wir sind erstaunt über diesen Deal“

Die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße in Berlin Bild: Rafael Herlich

Seit Monaten schwelt ein Streit über das Abraham Geiger Kolleg, an dem Rabbiner ausgebildet werden. Nun will die Jüdische Gemeinde zu Berlin das Kolleg übernehmen. Der Zentralrat der Juden spricht von einem „Trauerspiel“.

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          Die Jüdische Gemeinde zu Berlin will die Ausbildungsstätte für liberale Rabbiner und Kantoren Abraham Geiger Kolleg (AGK) in Potsdam, sowie das Zacharias Frankel Kolleg als Ausbildungsstätte für konservative Rabbiner und Kantoren übernehmen. Das teilte sie am Mittwochabend mit. Nach eigenen Angaben hat sie am 10. Januar dieses Jahres sämtliche Anteile des als gemeinnützige GmbH firmierenden Kollegs von der Leo Baeck Foundation übernommen, deren alleiniger Stiftungsvorsitzender auf Lebenszeit Rabbiner Walter Homolka ist.

          Heike Schmoll
          Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

          Homolka hatte seine Anteile in Höhe von 90 Prozent im Mai dieses Jahres vollständig an die Leo Baeck Foundation übertragen, danach war die Leo Baeck Foundation die einzige Gesellschafterin. Von ihr habe die Berliner Gemeinde auch die Trägerschaft des für die Ausbildung konservativer Rabbiner zuständigen Zacharias Frankel College übernommen. Beide Einrichtungen sind An-Institute der Universität Potsdam.

          Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe, sagte: „Die wertvolle Arbeit des AGK ist für den Fortbestand des liberalen Judentums in Deutschland unverzichtbar.“ Vor allem die Jüdische Gemeinde zu Berlin habe von den Früchten dieser einzigartigen Ausbildung stets profitiert. Deshalb sei es für sie der logische Schritt, wenn sie als Jüdische Gemeinde in Zukunft für die Ausbildung der Rabbiner und Kantoren Verantwortung übernehme.

          Die oberste Priorität habe, das AGK in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen und den Studierenden den Weg zu ebnen, ihre Ausbildung in einer stabilen Struktur fortzuführen. „Nach vielen Monaten der Aufregung möchten wir uns dafür einsetzen, die Gemüter zu befrieden und diese wunderbare Einrichtung in eine nachhaltige Zukunft zu begleiten“, sagte Joffe.

          Lederer begrüßt Entschluss

          Der für die Religionsgemeinschaften zuständige Berliner Senator Klaus Lederer (Linke) begrüßte den Entschluss der Jüdischen Gemeinde zu Berlin: „Aus meiner Sicht ist es die natürliche Entwicklung einer seit Jahren bereits existierenden und immer enger werdenden Partnerschaft. Ich freue mich sehr über diesen konsequenten Schritt. Die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist als Religionsgemeinschaft und anerkannte Körperschaft des öffentlichen Rechts ein verlässlicher Träger der Rabbinerausbildung.“

          Neue Interimsgeschäftsführerin des AGK soll die Rechtsanwältin und amtierende Geschäftsführerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Milena Rosenzweig-Winter, werden. Sie war bis vor kurzem auch Mitglied im Präsidium des Zentralrats.

          Der Zentralrat der Juden hat seinerseits kritisiert, dass die Übertragung der GmbH-Anteile des Abraham Geiger Kollegs und des Zacharias Frankel Colleges durch Walter Homolka an die Jüdische Gemeinde zu Berlin ohne Rücksprache mit den Studierenden, Beschäftigten oder den Zuwendungsgebern erfolgte. Der wichtigste Zuwendungsgeber ist der Zentralrat, hinzu kommen das Wissenschaftsministerium Brandenburgs, sowie das Bundesinnenministerium. Auch die an der Universität Potsdam angesiedelte School of Jewish Theology sei offenbar nicht eingebunden worden, genauso wenig wie die Leitung des konservativen Frankel-Colleges, stellte der Zentralrat fest.

          „Wir sind erstaunt über diesen Deal, der uns keinen Schritt dabei weiterbringt, die liberale und konservative Rabbinerausbildung für die Zukunft zu sichern“, hieß es in einer Mitteilung. Ob die Rabbinerausbildung in Potsdam unter diesen Umständen überhaupt vom Zentralrat weiter gefördert werden könne, müsse rechtlich geprüft werden. Die nun gegebene Trägerstruktur sei in jedem Fall ungeeignet und „nur ein weiterer Akt des von Walter Homolka und seiner Gefolgschaft inszeniertem Trauerspiels“, so der Zentralrat.

          Die Situation ändere nichts daran, dass sich die Stakeholder eine neue Struktur für die Rabbinerausbildung in Potsdam überlegen müssen. Eine trag- und förderfähige Struktur für die liberale und konservative Rabbinerausbildung in Potsdam werde derzeit von dem Trierer Kirchenrechtler Gerhard Robbers entwickelt und im Folgenden mit den Zuwendungsgebern, den Studierenden und Beschäftigten beraten.

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