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Antisemitismus und Kirche : Neue Hinweistafel zur „Judensau“ am Regensburger Dom

  • Aktualisiert am

„Steingewordener Antisemitismus“: Die sogenannte „Judensau“ am Regensburger Dom St. Peter. Der Umgang mit der Schmähplastik ist seit Jahren umstritten. Die aus dem Mittelalter stammende, judenfeindliche Darstellung wurde nicht entfernt, erhielt jetzt aber eine neue Beschriftung. Bild: dpa

An einer „Judensau“-Darstellung am Regensburger Dom ist eine neue Hinweistafel angebracht worden. Sie soll das antisemitische Relief in einen historischen Kontext stellen.

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          Zur „Judensau“, einer mittelalterlichen Schmähplastik an der Außenwand des Regensburger Doms, ist am Montag eine neue Hinweistafel in deutscher und englischer Sprache angebracht worden. Sie löst eine ältere Fassung von 2005 ab.

          Damit distanzieren sich der Freistaat Bayern als Eigentümer der Kathedrale und die Diözese Regensburg als Nutzer von der judenfeindlichen Darstellung aus dem späten Mittelalter. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) sagte, der in Regensburg eingeschlagene Weg könne Vorbild zur Auseinandersetzung mit ähnlichen Schmähplastiken sein. In Bayern gibt es solche Darstellungen etwa in der evangelischen Sebalduskirche in Nürnberg und am Burgtor der Cadolzburg, die ebenfalls dem Freistaat gehört.

          Auf Initiative des bayerischen Antisemitismusbeauftragten Ludwig Spaenle (CSU) hatten sich landesweit und lokal bei einem Runden Tisch Verantwortliche der Jüdischen Gemeinden, christlichen Kirchen und staatlicher Stellen gemeinsam Gedanken über den Umgang mit dem historischen Erbe gemacht.

          Motiv hauptsächlich im deutschen Sprachraum

          Spaenle sagte am Montag, die belastete Vergangenheit werde nachhaltig aufgearbeitet. „Wir machen den Ort zu einem Erinnerungsort. Die Skulptur soll alle Menschen mahnen, gegen jede Form von Propaganda, Hass und Ausgrenzung vorzugehen.“ Die Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde in Regensburg, Ilse Danziger, sagte, mit der neuen Hinweistafel könne die Diskussion um die Schmähplastik aus dem 14. Jahrhundert „endlich ein Ende finden“. Dompropst Franz Frühmorgen bezeichnete das Miteinander mit den anderen Beteiligten als „außerordentlich gut“.

          Via QR-Code verweist die Tafel auf die Internetseite des Antisemitismusbeauftragten. Dort finden sich weitere Informationen über judenfeindliche Darstellungen an historischen Gebäuden und zur Geschichte der ältesten jüdischen Gemeinde Bayerns in Regensburg. Dies ist der neue Text der Tafel im Wortlaut, die von Eva Haverkamp-Rott, Professorin für mittelalterliche jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig-Maximilians-Universität München, verfasst wurde:

          „,Judensau'-Darstellungen sind zu Stein gewordener Antisemitismus. Das Motiv findet sich ab dem 13. Jahrhundert fast nur im deutschen Sprachraum. Obwohl das Schwein im Judentum als unrein gilt, wurde fälschlich behauptet, dass Juden wie Ferkel an einer Sau saugen. Diese Darstellung wollte Ekel und Verachtung gegenüber Jüdinnen und Juden hervorrufen und das Judentum angreifen. In der christlichen Kunst verkörpert das Schwein vor allem den Teufel. Behauptet wurde daher, dass Jüdinnen und Juden mit dem Teufel im Bunde seien, von ihm ,genährt' würden und seine Lehren aufnähmen.

          Diese Skulptur am Dom wurde im 14. Jahrhundert gegenüber dem jüdischen Wohnviertel angebracht. Sie zeigt Männer, die an den Zitzen einer Sau saugen und ihr ins Ohr sprechen. Die Männer sind durch „Judenhüte' als Juden gekennzeichnet. Mit dieser menschenverachtenden Propaganda wurden Jüdinnen und Juden zu Feinden des Christentums erklärt. So wurde über Jahrhunderte Hass gegen sie geschürt. Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zum Mord waren die Folge. Heute soll diese Skulptur alle Menschen mahnen, gegen jede Form von Propaganda, Hass, Ausgrenzung und Antisemitismus vorzugehen.“

          Schmähplastiken dieser Art gibt es an Kirchen und weltlichen Gebäuden in ganz Europa. Im „Handbuch des Antisemitismus“ heißt es, nachweisbar seien 48 plastische Abbildungen. Die Mehrzahl von ihnen sei stark verwittert oder beschädigt. Das Motiv sei ab dem Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert reproduziert worden: auf Drucken, in antisemitischen Hetzschriften, auch auf Spielkarten. Im Lauf der Zeit seien die Varianten immer obszöner geworden.

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