Antisemitismus an Schulen : Jude als Schimpfwort
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Zwei Jungen mit Kippa sitzen in einer jüdischen Schule in Hamburg. Bild: dpa
Das Wort Jude gilt mittlerweile in vielen deutschen Schulen als Schimpfwort. Immer mehr jüdische Jugendliche werden deshalb von ihren Eltern von den staatlichen Schulen abgemeldet und besuchen jüdische Einrichtungen.
Das Wort „Jude“ wird mittlerweile auf vielen deutschen Schulhöfen als Schimpfwort verwendet. Manchmal geht das Hetzen gegen jüdische Mitschüler vor allem durch arabische Kinder so weit, dass die Betroffenen die Regelschule verlassen und auf eine jüdische Einrichtung wechseln. Ein jüdischer Jugendlicher aus Berlin berichtet, die verbalen Entgleisungen seiner Mitschüler seien so unerträglich geworden, dass seine Eltern ihn von der staatlichen Schule abgemeldet und bei der jüdischen Oberschule angemeldet hätten.
Aus Anlass des jüdischen Jugendkongresses, der am vergangenen Wochenende in Berlin stattfand, haben sich junge jüdische Erwachsene Gedanken über wachsende antisemitische Tendenzen in der deutschen Gesellschaft und ihre eigene Zukunft gemacht. Manche denken an Auswanderung, die meisten aber wollen bleiben, weil antisemitische Rädelsführer sonst erreicht hätten, was sie wollen.
Antisemitismus : Keine Kippa in Problemvierteln?
Bewirkt haben diese immerhin, dass als der Rundfunk Berlin-Brandenburg jüdische Jugendliche interviewen wollte, niemand seinen Nachnamen nennen wollte. Auch die Eltern sind besorgt, etwa wenn jüdische Kindergärten und Schulen besonders stark bewacht werden, weil mögliche Attentäter dadurch erst recht auf sie aufmerksam werden könnten. Die Jüdische Gemeinde in Berlin wagt es inzwischen nicht mehr, ihre Monatsschrift in der bisher üblichen durchsichtigen Plastikhülle zu verschicken, sondern stellt sie in einem neutralen Umschlag zu, um die Empfänger vor Angriffen zu schützen. Nun hat auch die Direktorin des American Jewish Committee in Berlin, Deidre Berger, den wachsenden Antisemitismus an Schulen angeprangert. „Aufgrund konkreter Fälle von Mobbing und eines allgemeinen Klimas antijüdischer Anfeindungen gehen daher einige Schüler lieber zu jüdischen und nichtöffentlichen Schulen“, sagte Berger der Zeitung „Bild am Sonntag“.
Als traumatisierender Einschnitt wurden unter deutschen Juden die pro-palästinensischen Demonstrationen im vergangenen Spätsommer empfunden. Damals grölte ein Mob in Berlin „Jude, Jude, feiges Schwein“, ohne dass ihnen jemand widersprach oder die Polizei einschritt. „Leider gibt es, 70 Jahre nach der Schoa, einzelne Bezirke in deutschen Städten, in denen das Tragen einer Kippa oder einer Halskette mit Davidstern als Provokation empfunden wird und der Grund für Angriffe sein kann“, hatte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor kurzem gewarnt. Das hat in Berlin zu einer anhaltenden Diskussion geführt. Denn nicht nur in einigen Problemkiezen in Berlin haben die Übergriffe auf jüdische Mitbürger zugenommen, auch in gutbürgerlichen Stadtteilen ohne hohen Ausländeranteil hat es in der jüngsten Vergangenheit Attacken etwa gegen einen Rabbi gegeben.
Der Berliner Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seine Stellvertreterin, die Senatorin für Arbeit, Frauen und Integration, Dilek Kolat (SPD), die selbst aus der Türkei stammt, leugnen standhaft, dass es solche Problemstadtteile gebe. Kolat verwies darauf, dass die Annahme, es handele sich vor allem um überwiegend muslimisch geprägte Stadtteile, empirisch nicht gedeckt sei. Sie sagte am Wochenende, es gebe, statistisch gesehen, keine besonderen Problemviertel. Zwar sei in Berlin die Zahl antisemitischer Vorfälle in den vergangenen Jahren gestiegen. Die Täter kämen aber zum größten Teil aus der rechtsextremen Szene. Im Jahr 2013 seien beispielsweise von acht antisemitischen Gewalttaten sieben von Rechtsradikalen und eine von „sogenannten Ausländern“ verübt worden. „Wir haben ein Problem, aber das lässt sich nicht eindeutig fokussieren nur auf muslimische Berlinerinnen und Berliner“, sagte Kolat. Antisemitismus unter muslimischen Jugendlichen sieht indessen auch sie - und fordert vor allem die islamischen Verbände auf, die muslimischen Jugendlichen zu beeinflussen.