Joachim Gauck : Der engagierte Bürger
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Joachim Gauck Bild: dapd
Joachim Gauck ist ein Mann der Wortmacht, wie es sie nur wenige gibt - und ein wandelndes Programm engagierter Bürgerlichkeit. Mit seiner unabhängigen Haltung, die der Freiheit verpflichtet ist, wird er auch unbequem sein.
„Rufen Sie doch Frau Merkel an“, hatte Joachim Gauck am Sonntagmorgen gesagt, als er bei einer Veranstaltung gefragt wurde, ob er Bundespräsident werde. Gesprochen und auch telefoniert wurde viel am Sonntag und Gauck hat dann auch selbst mit Frau Merkel geredet. Sein prinzipielles „Ja“ zum Amt war da wohl längst der SPD-Führung gegeben. Denn schon am Freitagabend hatte der Fraktionsvorsitzende Steinmeier den Namen des Mannes wieder in die Kandidaten-Debatte gebracht, der bereits 2010 als Bewerber nominiert war von SPD und Grünen, aber auch als Präsident des Herzenswunsches vieler Bürger angetreten war.
Gauck ist ein Mann der Wortmacht, wie es sie nur wenige gibt in Deutschland. Seine Reden, die er seit dreiundzwanzig Jahren vor kleinen und großen Versammlungen für Demokratie und das Glück der Freiheit hält, faszinierten und rührten Männer und Frauen im ganzen Land, zuweilen auch ihn selbst ein wenig. Er galt seinerzeit zwar als Kandidat der SPD und der Grünen, doch schon damals hatte seine Bewerbung große Sympathien auch in der FDP und bei der Union. Bei SPD und Grünen wiederum war manchen seine Unabhängigkeit nie ganz geheuer gewesen.
Sprecher der Freiheitsbewegung
Gauck ist ein wandelndes Programm engagierter Bürgerlichkeit. Der zweiundsiebzig Jahre alte Gauck stammt aus Rostock, sein Vater fuhr zur See, seine Mutter hatte Bürokauffrau gelernt. Nach dem Krieg fand der Vater Arbeit auf einer Werft, ehe er 1951 vom russischen Geheimdienst verschleppt wurde und für Jahre spurlos verschwand.
Gauck wuchs in der DDR heran, später sagte er, er habe nach dem Abitur Journalist werden wollen. Stattdessen studierte er evangelische Theologie und blieb in Rostock. Der engagierte Pfarrer geriet bald in den Blick der Stasi. 1989, als die friedliche Revolution ausbrach, war Gauck in seiner Heimatstadt einer der Sprecher der Freiheitsbewegung und ging zum „Neuen Forum“. 1990 in die Volkskammer gewählt, ließ Gauck das Pastorenleben hinter sich. Im September 1990 wurde ihm eine der schwierigsten Aufgaben übertragen, die das Land damals zu vergeben hatten: Gauck wurde „Sonderbeauftragter für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsdienstes“ und damit zur zentralen Figur der Aufarbeitung der DDR-Geschichte.
Große Nähe zum Volk
Gegen alle Anfechtungen machte er sich daran, die Dossiers des Geheimdienstes den Opfern der Stasi zu öffnen, aber auch wissenschaftliche Forschung und öffentliche Aufarbeitung zu gewährleisten. Der Wahrheit ins Gesicht zu blicken, um mit der eigenen Geschichte ins Reine zu kommen, diesen Anspruch verteidigte Gauck gegen alle Versuche, die Akten zu schließen. Seine Behörde, die in jenen Tagen mehr als 3500 Mitarbeiter zählte, wurde bald so eng mit seinem Namen verknüpft, dass man sie, aus Respekt vor der Person des Beauftragten, aber auch der Einfachheit halber „Gauck-Behörde“ nannte.
Dass Gauck bei seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahre 2000 öffentlich verstummen werde, hatte niemand erwartet. Anfangs versuchte er sich als Moderator einer Fernsehsendung, aber dabei war er weniger erfolgreich. Die Nähe zu Bürgerinnen und Bürgern, die unmittelbare Ansprache, das liegt ihm mehr. Als Buchautor und engagierter Bürger, er nennt sich selbst einen „aufgeklärten Patrioten“ reiste Gauck seither kreuz und quer durch das Land. Insoweit war die Phase seiner ersten Bewerbung um die Bundespräsidentschaft, die beinahe schon als Wahlkampf ausgetragen wurde, eine Fortsetzung dessen, was Gauck bis dahin getan hatte: reden, ermutigen, zum Engagement in der Demokratie auffordern. Und das tat er auch, nachdem er 2010 nicht gewählt worden war. Als fairer Verlierer ist er auch denen im Gedächtnis geblieben, die sich dann doch für Wulff entschieden hatten.
„Das ist natürlich für mich ein besonderer Tag“, sagte Gauck am Abend, eilends heimgekehrt von einer Reise nach Wien, und bekannte, ihm habe bei seiner Entscheidung „unglaublich geholfen“, dass die Parteien sich zusammengefunden hätten und auch die Bundeskanzlerin selbst ihm gesagt habe, wie sehr sie ihm vertraue. Er lebe allerdings noch in einer „Verwirrung der Gefühle“ und das habe sich nicht verändert, seit Angela Merkel ihn im Taxi angerufen habe. Die Bürger davon zu überzeugen, „nicht nur als Zuschauer und Begleiter der öffentlichen Dinge herumzustehen“, das bleibe seine Mission als „reisender Politiklehrer“ auch in Zukunft, gestützt auf ein Amt und einen Apparat. Allerdings solle niemand von ihm erwarten, er sei ein „Supermann“ oder ein fehlerloser Mensch. Und dann, ganz am Schluss seiner kurzen Ansprache sagte Joachim Gauck, irgendwann im Laufe dieser Nacht werde er womöglich auch „beglückt“ sein.