Jamaika-Gespräche : Verhandeln ohne Ende
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Wieder sondieren: Grünen-Fraktionsvorsitzende Göring-Eckhardt, Parteichef Özdemir am 19. Oktober in Berlin Bild: dpa
Die Sondierungen für eine Jamaika-Koalition ziehen sich hin, Koalitionsverhandlungen sind noch nicht abzusehen. Diese Regierungsbildung könnte die längste seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland werden.
Auch mehr als einen Monat nach der Bundestagswahl sind Union, FDP und Grüne auf dem Weg zu einer Jamaika-Regierung noch nicht viel weitergekommen. Noch vor Weihnachten könne die neue Bundesregierung stehen, hieß es vor kurzem von führenden Unionspolitikern – doch angesichts der atmosphärischen Spannungen in den Sondierungsrunden scheint das alles andere als ausgemacht.
Damit könnte die Jamaika-Regierungsbildung die längste der bundesdeutschen Geschichte werden – und noch den bisherigen Rekord von 2013 übertreffen. Nach der Bundestagswahl dauerte es damals 86 Tage, bis Merkel am 17. Dezember 2013 zur Bundeskanzlerin gewählt und das neue Kabinett vereidigt wurde – so lange wie nie zuvor. Nach Merkels erster Wahl 2005 vergingen 65 Tage, bis das Kabinett vereidigt war; nach der Wahl 1990, als Helmut Kohl kurz nach der Wiedervereinigung im Amt bestätigt wurde, immerhin 47 Tage. Ähnlich lang wie Merkel 2013 brauchte nur die zweite sozialliberale Regierung unter Helmut Schmidt, deren Kabinett 1976 erst 73 Tage nach der Bundestagswahl vereidigt wurde.
Deutlich schneller lief die Regierungsbildung hingegen unter Gerhard Schröder: Er benötigte 1998 und 2002 jeweils nur 30 Tage, bis seine rot-grünen Kabinette vereidigt waren. Auch 2009 war das schwarz-gelbe Kabinett nach nur 31 Tagen in Amt und Würden – viel zu schnell nach Ansicht vieler Liberaler, die in den schnellen Koalitionsverhandlungen bis heute den Hauptgrund für den Absturz der FDP bei der Wahl 2013 sehen. Noch schneller waren Willy Brandt 1969 und Helmut Kohl 1983, als jeweils nur 24 Tage bis zur Vereidigung des Kabinetts vergingen.
Verhandlungen über Jamaika : Sie sondieren wieder
Einen Rekord haben die Jamaika-Parteien unterdessen schon jetzt aufgestellt: Noch nie hat es nach einer Wahl so lange gedauert, bis überhaupt Koalitionsgespräche aufgenommen wurden. Am längsten dauerte es bislang nach der vergangenen Wahl 2013, als die Verhandlungspartner in den schwarz-roten Sondierungsrunden 31 Tage brauchten, bis sie offiziell in Koalitionsverhandlungen eintraten. Diese Marke haben die Jamaika-Parteien bereits überschritten – und noch gibt es keine Aussicht, dass die Sondierungen schnell zum Ende kommen könnten.
Auch nach der Wahl 2005 dauerte es 29 Tage, bis die Union und die SPD nach der Abwahl Gerhard Schröders offiziell in Koalitionsgespräche eintraten, 1994, beim letzten Kabinett Kohl, waren es immerhin noch 11 Tage. Ungleich schneller ging es 1998 (4 Tage) und 2002 (3 Tage) bei den beiden rot-grünen Regierungen von Gerhard Schröder, die beide beteiligten Parteien als ebenso alternativlos betrachteten wie Union und FDP die schwarz-gelbe Koalition 2009, bei der bis zur Aufnahme von Koalitionsgesprächen nur acht Tage vergingen.
Man könnte auch sagen: Dass eine Regierung umso schneller steht, je weniger Parteien beteiligt und je klarer die Machtverhältnisse sind, liegt auch daran, dass nicht mehr viel darüber diskutiert werden muss, wer Koch und wer Kellner ist. Das gilt sowohl für Helmut Kohl 1990 als auch für Schröder 1998 und Merkel 2009. Für die Jamaika-Verhandlungen, in denen vier Parteien eine diffizile Machtbalance aushandeln, verheißt das umgekehrt ein umso langwierigeres Fingerhakeln. Um inhaltliche Positionen, vor allem aber um Posten.