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Verteidigungsfähigkeit : Jamaika setzt die deutsche Sicherheit aufs Spiel

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In Kriegen wie in Afghanistan wurde der Leopard eher nicht gebraucht. Er wurde mit einem klaren Feindbild entwickelt: die Sowjetunion. Bild: dpa

Deutschlands Verteidigungsfähigkeit droht, in den Sondierungsgesprächen über ein Jamaika-Bündnis unter die Räder zu geraten. Dabei sind wir längst nur noch bedingt einsatzbereit. Ein Gastbeitrag.

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          Die politischen Erwartungen der Bürger im Land sind geteilt. Man fragt sich, ob die wahrscheinliche (und unschön) so genannte Jamaika-Koalition eine wirksame Verbesserung deutscher Politik bewirken kann. Vor allem geht es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, unter den Aspekten einer zunehmend gefährlichen Entwicklung der komplexen Weltlage. Ob die neue Vierer-Koalition deutsche Politik sinnvoll und klug gestalten kann? Betrachtet man die Sicherheitspolitik, darf das bezweifelt werden. Dabei geht es um zentrale Fragen: Wird die neue Regierung rechtzeitig wirksame Maßnahmen zur Wiederherstellung der in Mitteleuropa benötigten deutschen Verteidigungsfähigkeit planen, einleiten und finanzieren? Wird Deutschland auf Dauer gewillt und befähigt sein, das ihm wie jedem Staat zugestandene „Recht auf materielle Selbstbehauptung“ auf Dauer wahrzunehmen?

          Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes (in etwa: Soldatengewerkschaft) schlug vergangenes Wochenende Alarm. André Wüstner fürchtet dem Verlauf der bisherigen Sondierungsgespräche der Vierer-Koalition folgend, dass die „Verteidigungspolitik und damit unsere Bundeswehr anscheinend als Verhandlungsmasse zwischen anderen Themen zerrieben wird.“ Ein mögliches Jamaika-Bündnis müsse deutlich mehr Geld in die Bundeswehr stecken. Die begonnene Personalaufstockung und die materielle Nachrüstung müssten fortgesetzt werden.“ Wüstner, der in Kosovo und Afghanistan Einheiten der Kampftruppe geführt hat, sagte, die Bundeswehr sei nur bedingt einsatzbereit und gemessen am gewachsenen Auftrag im schlechtesten Zustand seit 1990. Der Verbandschef forderte von CDU, CSU, FDP und Grünen konkrete Bekenntnisse zur Truppe im Koalitionsvertrag. Ein Bekenntnis zum Zwei-Prozent-Ziel im Koalitionsvertrag wäre ein wichtiges Signal an internationale Bündnispartner.

          Wolf Poulet
          Wolf Poulet : Bild: privat

          Noch sind die Sondierungsgespräche im Gange und die daraus folgenden politischen Weichenstellungen nicht beschlossen. Ein kurzes Infopapier der Vierer-Koalition zur „Verteidigung“ vom Anfang November deutet jedoch darauf hin, dass Wüstners „Grauen bei der bisherigen Betrachtung der Sondierungsgespräche“ sehr bald eine traurige Bestätigung erhalten könnte. Die Koalition in spe „will die Sicherheit in Europa weiterhin transatlantisch und zugleich europäischer gestalten. Sie will auch den Soldatinnen und Soldaten die bestmögliche Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung zur Verfügung stellen.“ (Immerhin: die Große Koalition hat dies in ihrer Regierungszeit nicht bewerkstelligen können) „Wir wollen die Bundeswehr VN-fähiger und europatauglicher machen. In den Sondierungsgesprächen sollen besonders folgende Fragen weiter besprochen werden: Die Frage der Finanzausstattung auf der Zeitschiene, die Frage der Rüstungsexportpolitik, der Einsatzfähigkeit im Cyberraum, die Einsatzfähigkeit bewaffnungsfähiger Drohnen, Fragen der nuklearen Teilhabe wie der Begründung neuer Mandate (für Einsätze im Ausland).“

          Die wichtigste aller Fragen wird nicht gestellt: wie viel Zeit und Mittel müssen aufgebracht werden, damit die Kampfkraft von Heer, Luftwaffe und Marine wieder zu einer hinreichenden Einsatzfähigkeit führt? Unsere europäischen und transatlantischen Nachbarn und Partner erwarten ausnahmslos einen angemessenen deutschen Beitrag zur Verteidigung Mitteleuropas wie auch für internationale Friedenseinsätze. Ein sozialdemokratischer Außenminister und die christdemokratische Verteidigungsministerin haben dem bekannten Zwei-Prozent-Ziel zwecks Erhöhung der europäischen Verteidigungsbereitschaft zugestimmt. Jetzt traut man sich offensichtlich nicht, den traditionell „friedensorientierten“ Grünen diese Forderung zu erläutern und politisch zu gestalten.

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