F.A.S.-Interview : Laschet gegen Vorrechte für Geimpfte
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Der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, dämpfte die Hoffnung, dass Geimpfte das Virus nicht weiterverbreiten. Tierversuche an Altweltaffen hätten gezeigt, dass die Impfung eine Erkrankung verhindert. In der Nase und im Rachen waren aber weiter Viren nachweisbar. Einen bremsenden Effekt auf die Pandemie sieht Cichutek dennoch. „Auch wenn keine sterile Immunität nach der Impfung erreicht wird, so ist es möglich, dass die SARS-CoV-2-Viruslast vermindert und die Verbreitung des Virus reduziert wird“, sagte er der F.A.S.
Was schafft wirklich Unfrieden?
Sollte sich herausstellen, dass Geimpfte nicht mehr infektiös sind, fordert der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, für sie alle Einschränkungen aufzuheben. „Das ist kein Corona-Sonderrecht, sondern der Ausdruck unseres freiheitlichen Rechtsstaates“, sagte Kubicki der F.A.S. Auch der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier sagte, von „Privilegien“ oder „Sonderrechten“ für Geimpfte könne keine Rede sein. „Wenn sich in Zukunft zeigen sollte, dass geimpfte Personen auch andere nicht anstecken können, entfiele ihnen gegenüber auch die verfassungsrechtliche Legitimation für Maßnahmen wie Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen oder die Maskenpflicht“, sagte Papier. Daran könne auch der Wunsch des Gesetzgebers nichts ändern, gesellschaftliche Spannungen zu vermeiden – zumal, wie der frühere Bundesverfassungsrichter Dieter Grimm betont, „niemand vorhersehen kann, ob es zu solchen Spannungen überhaupt kommen würde oder ob es nicht vielleicht gerade umgekehrt zu Unfrieden führt, wenn geimpfte Menschen gezwungen sind, sich weiter an Regeln zu halten, die für sie keinen Sinn mehr ergeben“.
Grimm geht dennoch von einem weiten Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers aus, da Lockerungen für geimpfte Personen schwer absehbare Folgewirkungen haben könnten: „Ein Konzert besteht nicht nur aus seinen Gästen, deren Impfstatus an der Pforte kontrolliert werden müsste, sondern auch aus Musikern, Technikern, Servicepersonal und vielen weiteren Personen, die alle an- und abreisen und zusammenarbeiten müssen.“ Der Verfassungsrechtler Christoph Möllers plädiert deshalb für eine Unterscheidung anhand der betroffenen Grundrechte: „Eine Demonstration, an der nur Geimpfte teilnehmen, wird man weder verbieten noch unter infektionsschutzrechtliche Auflagen stellen können. Bei geringfügigen Eingriffen wie einer Maskenpflicht in der Fußgängerzone muss der Gesetzgeber aber wohl schon aus Praktikabilitätsgründen nicht nach dem Impfstatus differenzieren.“
Einig sind sich Papier und Möllers, dass jedenfalls der Zugang zu essentiellen Einrichtungen wie Apotheken oder öffentlichen Verkehrsmitteln nicht vom Impfstatus abhängig gemacht werden darf. Betreiber von Hotels, Restaurants oder Theatern müssen nach Papiers Auffassung jedoch grundsätzlich frei entscheiden können, wem sie Einlass gewähren; Möllers hingegen hält ein gesetzliches Diskriminierungsverbot auch hier einstweilen für zulässig, um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu verhindern.