Insolvenz der „Rundschau“ : „Keine Perspektive“ für den Frankfurter Patienten
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Die „Frankfurter Rundschau“ zählt zur Gründungsgeneration der demokratischen Presse der Bundesrepublik. Am 1.August 1945 erschien sie zum ersten Mal. Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb
Die Geschichte des Niedergangs der „Frankfurter Rundschau“ ist eine spezielle, von der man nicht aufs Allgemeine schließen sollte. Es ist die Geschichte einer Zeitung, die ihren Markenkern verlor, und eines Verlags, der sich übernahm.
Für die „Frankfurter Rundschau“ war dieser Dienstag ein schwarzes Datum. Denn an diesem Tag wurde offiziell, dass die Zeitung pleite ist. Morgens um 9.45 Uhr ging beim Amtsgericht Frankfurt der Insolvenzantrag des Druck- und Verlagshauses Frankfurt am Main ein. Als Insolvenzverwalter wurde der Anwalt Frank Schmitt eingesetzt. Nachmittags um drei wurde den Mitarbeitern die schlechte Nachricht überbracht.
„Massive Umsatzverluste im Anzeigen- und Druckgeschäft in der ersten Hälfte des laufenden Jahres“, hieß es, hätten der Geschäftsführung „keine Chance für ein Verlassen der Verlustzone gegeben“. Der desaströse Befund lautet: Es sei „keine Perspektive der Fortführung des Unternehmens mehr erkennbar“. Für die Gesellschafter - den Verlag M. DuMont Schauberg und die SPD-Medienholding DDVG - sei „eine sich nunmehr abzeichnende dauerhafte Finanzierung hoher Verluste“ nicht länger „darstellbar“. Gleichwohl sei es das Ziel, den Geschäftsbetrieb fortzuführen; die Gehälter seien bis Ende Januar 2013 durch das Insolvenzgeld gesichert. Der Dank gelte den Mitarbeitern, die seit Jahren auf Gehaltserhöhungen verzichtet haben, sowie den Lesern, die dem Blatt bis zuletzt die Treue hielten.
Statt auf Papier nur noch digital?
Eingestellt wird die „Frankfurter Rundschau“ also - noch - nicht, doch ist sie vom Aus nicht weit entfernt. Sie ist nun abhängig von den Entscheidungen des Insolvenzverwalters. Der sondiert nun „Sanierungsansätze“ und sucht nach Investoren. „Nur wenn wir weiter erscheinen, haben wir die Chance, Investoren zu finden“, bekamen die Mitarbeiter zu hören.
Das Gerücht, dass das defizitäre Blatt eingestellt werden könnte, machte die Runde, seit im September publik wurde, dass der Mehrheitseigentümer, der Verlag M. DuMont Schauberg, sondierte, ob das Blatt statt auf Papier nur noch digital verbreitet werden könnte. Nach der „Beendigung eines Druckauftrags“ mit dem Hannoveraner Medienunternehmen Madsack könne die „Frankfurter Rundschau“, sagte der DuMont-Sprecher Wolfgang Brüser damals, „in abgelegenen Gebieten Norddeutschlands nicht mehr tagesaktuell ausgeliefert“ werden. Deswegen würden diese Leser befragt, ob sie auch mit einer digitalen Version zufrieden seien. Die Frage, ob das nur für bestimmte Gegenden im Norden der Republik geprüft werde, blieb.
Die „Frankfurter Rundschau“ zählt zur Gründungsgeneration der demokratischen Presse der Bundesrepublik. Am 1.August 1945 erschien sie zum ersten Mal. Sie war die zweite Zeitung überhaupt, die von den westlichen Alliierten lizensiert wurde, vor ihr kamen nur die „Aachener Nachrichten“ heraus. Sieben Publizisten wurde das Blatt anvertraut. Schon im April 1946 stieg der Mann ein, der die Zeitung bis zu seinem Tod 1973 als Verleger, Herausgeber und Chefredakteur prägen sollte: Karl Gerold, der in der NS-Zeit als Sozialdemokrat verfolgt worden war und sich ins Schweizer Exil retten konnte. Unter ihm profilierte sich die „Frankfurter Rundschau“ als linksliberales Blatt, verstand sich als publizistischer Wegbereiter der sozial-liberalen Koalition. Neben der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ begründeten die „Frankfurter Rundschau“ und die „Frankfurter Neue Presse“ den Ruf Frankfurts als führender Zeitungsstadt der Republik.
Erste drastische Sparmaßnahmen schon 2002
1973 wurde die Karl-Gerold-Stiftung gegründet, sie blieb bis zum Mai 2004 alleinige Eigentümerin des Blattes, bis die SPD-Medienholding DDVG 90 Prozent der Anteile übernahm. Da hatten die besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Blattes schon begonnen: Im März 2002 wurden den damals 1500 Beschäftigten die ersten drastischen Sparmaßnahmen verkündet. Sie verhinderten jedoch nicht, dass das Land Hessen im Jahr darauf eine Bürgschaft für die „Frankfurter Rundschau“ übernehmen musste. Es wurden Verkaufsverhandlungen geführt, Finanzinvestoren erschienen als mögliche Käufer, Chefredakteure und Geschäftsführer kamen und gingen, die Linie und die Ausrichtung des Blattes wurden in Frage gestellt. Management-Chaos, Streit und Niedergang drangen nach außen und spiegelten sich im Verkauf und schließlich im Abriss des „Rundschau“-Hauses in der Frankfurter Innenstadt wider.