Innere Sicherheit : Der rote Sheriff
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Innenminister Schily hat im Kampf gegen Terrorismus und Rechtsextremismus auf einen starken Staat gesetzt. Mit wechselndem Erfolg. Oft hoffte er vergeblich auf Unterstützung der Grünen, aber auch der eigenen Fraktion.
Fragen der Inneren Sicherheit haben Otto Schily schon in den siebziger Jahren interessiert. Damals vertrat der Berliner Strafverteidiger die Interessen derer, die den Staat zerstören wollten, unter anderem durch Mordanschläge auf seine Repräsentanten.
Fast dreißig Jahre, nachdem Schily zum ersten Mal als emphatischer Verteidiger an einem Prozeß gegen die späteren Terroristen Andreas Baader und Gudrun Ensslin beteiligt war, schwört er 1998 im Deutschen Bundestag seinen Eid auf die Verfassung.
„Klimawandel“ in der Gesellschaftspolitik
Die Amtszeit Schilys, der in seiner politischen Karriere auch schon Führungsmitglied der Grünen und parlamentarischer Ermittler bei den liberal-konservativen Spendenaffären der achtziger Jahre war, beginnt mit allerlei Reformen, die sich unter dem Stichwort „Klimawandel“ in der Gesellschaftspolitik zusammenfinden.
Das Staatsangehörigkeitsrecht erfährt Anfang 1999 eine Anpassung. In der Asylpolitik setzt Schily die 1993 ausgehandelte Kompromißformel durch. Seit Antritt der rot-grünen Regierung hat sich die Zahl der Asylbewerber um zwei Drittel von etwa 100.000 auf 37.000 vermindert. In den vergangenen fünf Jahren erwarben etwa 800.000 Ausländer die deutsche Staatsangehörigkeit.
Deutsche Sicherheitsarchitektur anpassen
Doch es sollte weitergehen, der Politik der offenen Tür wollte Rot-Grün mit einem Einwanderungsgesetz eine rechtliche Grundlage verschaffen, mit der Visa-Politik wird unterdessen ein Nebeneingang geöffnet, den Hundertausende nutzen. Das Einwanderungsgesetz beschäftigt in der ersten Legislaturperiode Kommission, Parlamentsausschüsse und am Ende sogar das Bundesverfassungsgericht. Denn die Regierungskoalition versuchte Anfang 2002, ihre Vorstellungen auf verfassungswidrige Weise im Bundesrat durchzusetzen. Schließlich gelingt es Schily aber doch, einen Kompromiß auszuhandeln.
Die Einigung wird möglich, weil Einwanderung darin ganz klein, Sicherheit aber groß geschrieben wird. Schily gefällt das. Denn wie kein anderes Ressort außer dem Verteidigungsministerium wird die Arbeit des Innenministeriums seit dem 11. September 2001 vom Kampf gegen den Terrorismus bestimmt. Schily übernimmt es nach den Terroranschlägen von New York und Washington, die deutsche Sicherheitsarchitektur den neuen Erfordernissen anzupassen.
Der „Otto-Katalog“
Der Minister, der damals vor dem siebzigsten Geburtstag steht, will den gleichermaßen entschlossenen wie besonnenen Rechtsstaat verkörpern. Rasch beschließt das Kabinett ein Maßnahmenbündel, den sogenannten „Otto-Katalog“, das bald schon den Bundestag passiert. Die Gesetzesänderungen schränken Vereinsrechts-Privilegien für Religionsgemeinschaften ein, lockern den Datenschutz und gewähren den Sicherheitsbehörden ein umfangreicheres Auskunftsrecht - etwa nach den Daten von Flugzeugpassagieren.
Dem Innenministerium werden 250 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um sich für die ungewisse Zukunft zu wappnen, Schily kündigt einen „sehr harten, entschlossenen Einsatz repressiver Mittel“ an. Im April 2004, nach den Attentaten auf Vorortzüge in Madrid, sagt er an die Adresse potentieller Terroristen, Deutschland müsse und werde sich zur Wehr setzen, „notfalls auf eine Art, die das Leben der Terroristen nicht schonen kann.“
Ohnmächtig gegenüber Illoyalität