Im Porträt: Janine Wissler : Klassenkämpferin im Parlament
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Seit sechs Jahren im Hessischen Landtag: Janine Wissler Bild: dpa
Die neue stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, Janine Wissler, hält nicht viel vom Parlamentarismus - daraus macht sie keinen Hehl. Im Hessischen Landtag bedient sie aber virtuos dessen Instrumente. In der Partei hat sie mächtige Fürsprecher.
Janine Wissler hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie das, was die einen soziale Marktwirtschaft, die anderen Kapitalismus nennen, für ein „unmenschliches, grausames System“ hält und dass die Parteiendemokratie überwunden werden muss. 2011 sagte sie beim Kongress „Marx is Muss“, der sich – auf durchaus hohem intellektuellen Niveau – mit der „Aktualität der kommunistischen Idee“ befasste: „Die klassenlose Gesellschaft lässt sich nicht einführen über Parlamente und Regierungen.“ Und: „Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, dass wir die Gesellschaft aus den Angeln heben können über Anträge und Reden im Parlament.“

Politischer Korrespondent in München.
Angesichts dessen kann man es zumindest bemerkenswert finden, dass Janine Wissler, gerade einmal 32, schon seit sechs Jahren im Hessischen Landtag sitzt und sich dort ziemlich virtuos aller Instrumente bedient, die der Parlamentarismus so zu bieten hat. Ihre Reden gehören zu den pointiertesten im ganzen Plenum, und sie führt eine Fraktion, die sich im Unterschied zu FDP und SPD in ihrer Oppositionsrolle pudelwohl fühlt – kaum ein Tag, an dem die inzwischen gut sortierte Truppe nicht irgendeine Presseerklärung gegen den Flughafenausbau, zum „G-8-Murks“ oder zum „Schutz vor rechtswidriger Polizeigewalt“ veröffentlicht. Wissler ist formal nur Co-Fraktionsvorsitzende.
Bestens vernetzt in ihrer Partei
Lieber als mit ihrem Kollegen Willi van Ooyen sprechen die Führungsleute der anderen Fraktionen allerdings mit ihr. Sie gilt als verlässlich und untussig. Sie ist überdurchschnittlich charmant, ohne für den Charme anderer anfällig zu sein (es sei denn für den des griechischen Linken Alexis Tsipras). Außerdem ist sie vergleichsweise konstruktiv. Das zeigte sich etwa im November nach den Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen. Da sprach Wissler von einem „sehr großen Polster an Gemeinsamkeiten“ und einer möglichen Regierungsbeteiligung. Dass der Landesvorsitzende Ulrich Wilken ihr umgehend in die Parade fuhr, warf die Frage auf, wie weit der Einfluss von Wissler tatsächlich schon reicht.
Am Samstag ist das erst einmal beantwortet worden. Wissler wurde auf dem Bundesparteitag in Berlin zur stellvertretenden Linken-Vorsitzenden gewählt. Dass sie das weitaus beste Ergebnis aller Stellvertreter erhielt, war keine Überraschung. Wissler ist bestens vernetzt in ihrer Partei, auch aus ihren Zeiten bei der trotzkistischen Organisation „Linksruck“, deren Positionen sie nie aufgegeben hat. Sie hat darüber hinaus mächtige Fürsprecher, und zwar nicht nur unter Lafontaines Leuten, sondern auch im pragmatischen Osten.
Nun soll Wissler vor allem dem lahmen Westen der Republik auf die Sprünge helfen. Sie wird das weiterhin im Parlament versuchen, das für sie eine Plattform ist, „um Forderungen von Bewegungen zu artikulieren“. Vor allem jedoch wird sie weiter auf die Straße gehen. Denn dort, und nur dort, entstehen ihrer Ansicht nach die klassenkämpfenden Bewegungen, die von unten „ernsthaft das System in Frage stellen“ – und die es zu ihrem Leidwesen in Deutschland nicht gibt.