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Im Gespräch: Beate Merk : „Ich habe nicht das Recht, entsetzt zu sein“

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Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU):  Ohne politischen Instinkt beim Umgang mit einem mutmaßlichen Justizopfer?

Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU): Ohne politischen Instinkt beim Umgang mit einem mutmaßlichen Justizopfer? Bild: dpa

Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) weist im F.A.Z-Gespräch Vorwürfe zurück, im Fall Gustl Mollath, der seit 2006 zwangsweise in psychiatrischen Kliniken untergebracht ist, nicht rechtzeitig reagiert zu haben: „Ich sehe nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe“.

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          Frau Ministerin, im Fall Mollath hält Ihnen die Opposition vor, die sonst schnell mit dem Vorwurf bei der Hand ist, die Justiz werde politisch gegängelt, nicht rechtzeitig reagiert zu haben. Was stimmt denn nun?

          Man macht es als Opposition halt so, wie man es gerade braucht. Oft habe ich mir vorhalten lassen müssen, es dürfe keine Weisungen an die Staatsanwaltschaft geben. Jetzt passt es gerade anders. Ich trage die Verantwortung insgesamt und darf mich nicht an Einzelfällen orientieren. Das politische Justizministerium setzt seine Meinung nicht an Stelle der Staatsanwaltschaft. Das würde die Gefahr einer politischen Einflussnahme bedeuten. Ich halte die Staatsanwaltschaft für so souverän und sensibel, dass in aller Regel Weisungen nicht notwendig sind. Und wenn doch, muss das erst besprochen werden.

          Wie viele Weisungen haben Sie schon erteilt?

          Eine.

          Eine förmliche?

          Jetzt im Fall Mollath war das der erste Fall. Ich habe nicht gesagt: „Ich weise an ...“, sondern „Ich bitte darum, ...“. Aber wir haben das schriftlich getan. Das sollte nicht heimlich geschehen.

          Ministerkollegen von Ihnen sagen, man brauche ohnehin keine Weisung. Es reiche, wenn man den Generalstaatsanwalt anruft und sagt: „Wäre es nicht klug, Folgendes zu überlegen...?“

          Generalstaatsanwälte tragen die Verantwortung für ihren Bereich und haben ihre eigene Meinung. Ich habe hier diese Entscheidung getroffen, weil sehr viele Zweifel in die Welt gesetzt worden waren. Hier stand das Ansehen der Justiz auf dem Spiel. Zudem war die Bevölkerung tief verunsichert. Die Menschen haben sich gefragt: „Wird jemand weggesperrt, nur weil er eine Anzeige erstattet hat?“ Eine solche Anschauung darf sich nicht durchsetzen. Eine Unterbringung in der Psychiatrie darf nur erfolgen, wenn Staatsanwaltschaft, Gutachter und Gericht überzeugt sind, dass ein Freiheitsentzug notwendig ist. Ich war der Meinung, dass dieser Fall erneut geprüft werden musste, damit ganz klar ist, ob die Voraussetzungen einer Unterbringung in der Psychiatrie jetzt vorliegen oder nicht.

          Man hat den Eindruck, dass in der Justiz die Fähigkeit zur Selbstkritik nicht besonders ausgeprägt ist. Da stellt sich etwa eine Staatsanwaltschaft hin und sagt: Es sind keine Fehler passiert. Warum kann man nicht in der Rückschau zugeben, dass man einiges hätte besser machen können?

          Wenn der Generalstaatsanwalt der Meinung ist, dass nach damaligem Kenntnisstand richtig gehandelt wurde, dann kann er das auch sagen.

          Was haben Sie persönlich falsch gemacht?

          Ich sehe nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe. Ich hatte im Landtag zu berichten: Und ich habe - so ist es auch dem Protokoll zu entnehmen - umfassend berichtet. Rechtskräftige Urteile habe ich als Justizministerin zu akzeptieren. Ich muss aber auch ganz klar sagen: Ich habe mich nie geweigert, die Zweifel der Menschen an den Entscheidungen zu klären. Das war von Anfang an mein Ziel. Nur konnte man es nicht nach außen tragen, solange man nicht wusste, ob es überhaupt eine rechtliche Möglichkeit geben würde, die Verfahren neu aufzurollen. Diese Möglichkeit ist in einem Rechtsstaat nicht schnell zu finden. Die Justiz kann nicht sofort und ohne weiteres dafür sorgen, dass Zweifel aufgeklärt werden. Das liegt daran, dass unser Recht es immer dann, wenn es um rechtskräftige Urteile geht, schwer hat, diese wiederaufzurollen. Nach außen ist so etwas oft nur schwer zu vermitteln, vor allem wenn hinzukommt, dass man sich zugleich gegen massive politische Vorwürfe wehren muss.

          Auch nicht in der Kommunikation? Die erste Reaktion wurde ja so wahrgenommen: Die Justiz ist unabhängig, alles ist seinen Gang gegangen.

          Rechtskräftige Gerichtsurteile muss ich als Justizministerin akzeptieren. Und mein Bericht im Rechtsausschuss des Landtags beruhte auf den von meinen Fachleuten überprüften Angaben der Staatsanwaltschaft über ihre Entscheidung und die dafür maßgeblichen Gründe. Als mir dann die Freien Wähler vorwarfen, ich hätte den Landtag belogen, war meine Reaktion: Selbstverständlich habe ich das nicht getan. Was für eine Schnapsidee. Wie sollte ich auch? Vielleicht kam das dann etwas kantig rüber. Wenn das auch kein Fehler war, hätte man das auch anders kommunizieren können.

          Die Namen, die Mollath nannte, gab es ja tatsächlich. Wenn Sie das Verhalten der Staatsanwaltschaft damals bewerten müssten, welche Note würden Sie geben?

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