Hubschrauber NH90 : Der flügellahme Seelöwe
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In Afghanistan fliegt er schon, obwohl die Bundeswehr ihn für ungeeignet hält Bild: ddp
Die Marine braucht neue Hubschrauber. Aber der NH90 steckt voller Mängel. Hat sich die Bundeswehr selbst in eine Kostenfalle manövriert?
Anfang September nahm die Marine an einer Übung vor der schwedischen Küste teil. Dem Manöververband gehörte der Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ an, mit 174 Metern Länge eines der größten Schiffe der Bundeswehr. Mit an Bord: zwei Hubschrauber vom Typ „Sea King“, die als „fliegende Augen“ den Sichtkreis des Einsatzgruppenversorgers vergrößern und bei Bedarf auch Elitesoldaten transportieren können.
Die Hubschrauber haben aber noch eine andere wichtige Aufgabe: Sie werden von Helgoland und Warnemünde aus zur zivilen Seenotrettung (SAR) in deutschen und internationalen Gewässern eingesetzt, um Besatzungen in Seenot geratener Schiffe, Verletzten oder Schiffbrüchigen zu helfen. Dazu müssen ständig drei „Sea King“ für den SAR-Betrieb in der Nord- und Ostsee zur Verfügung stehen. Doch als die „Frankfurt am Main“ Schweden ansteuerte, meldete die Bundeswehr zwei der drei SAR-Hubschrauber bei den Behörden ab. Der Grund: Von 21 „Sea Kings“ im Dienst der Marine waren nur drei Maschinen verfügbar – und zwei davon wurden für das Manöver gebraucht. Die übrigen Hubschrauber mussten repariert und gewartet werden. Oder sie dienen als Ersatzteillager.
Flugstunde kostet mehr als 26.000 Euro
Dieser jammervolle Zustand der Hubschrauberflotte gehört seit Jahren zum Alltag der Marine. Der „Sea King“ ist ein betagter Hubschrauber für den Seeflugbetrieb. Ersatzteile sind kaum noch erhältlich, Reparaturen langwierig und teuer. Eine Flugstunde mit dem mehr als 40 Jahre alten Hubschrauber kostet inzwischen mehr als 26.000 Euro. Auch deshalb kann die Marine nicht mehr genug davon bereithalten.
So bald wird sich daran auch nichts ändern. Bei der offiziellen Ausschreibung des Verteidigungsministeriums für einen neuen Marinehubschrauber vor zwei Jahren hatte das Angebot eines deutsch-amerikanischen Konsortiums (Sikorsky) technisch und wirtschaftlich vorn gelegen. Die beiden Angebote des europäischen Herstellers Eurocopter landeten abgeschlagen dahinter. Die Marineführung hatte in der Ausschreibung ihre Anforderungen an den Helikopter definiert. Sie ergeben sich aus dem Auftrag der Marine, weltweit einsetzbar zu sein. Der Hubschrauber sollte an Bord von Schiffen eingesetzt werden, um einen noch weit entfernten Gegner über Wasser aufzuspüren. Außerdem sollte er U-Boote bekämpfen, Eliteeinheiten absetzen, Schiffbrüchige retten, Personal und Material transportieren können.
„Ranghohe Vertreter der Marine haben immer wieder öffentlich geäußert, dass nur der Sikorsky-Lizenzbau vollumfänglich die Anforderungen erfüllt“, sagt der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour von den Grünen. Doch das Verteidigungsministerium entschied Ende 2011, die Ausschreibung aufzuheben. Für einen neuen Marinehubschrauber fehle das Geld, lautete die Begründung. Trotz der damals schon desaströsen Lage bei den Marinehubschraubern schien das Rüstungsprojekt beerdigt.
Ein Handel mit doppeltem Haken
Doch dann fand das Verteidigungsministerium einen Weg, der den Verlierer der Ausschreibung plötzlich wieder ins Spiel brachte. Zwei andere Beschaffungsvorhaben, mit denen Eurocopter beauftragt worden ist, waren ins Trudeln geraten. Diesmal griff Verteidigungsminister Thomas de Maizière von der CDU persönlich ein. Weil seine Vorgänger vor zehn Jahren viel zu viele Kampfhubschrauber „Tiger“ und Transporthelikopter NH90 bestellt hatten, deren Betrieb die Bundeswehr auf Dauer nicht finanzieren kann, handelte de Maizière in diesem Frühjahr mit dem in Donauwörth beheimateten Hersteller einen Deal aus. Der sah so aus: Eurocopter liefert 63 Hubschrauber vom Typ „Tiger“ und NH90 weniger, bekommt aber dennoch fast die gesamte für 202 Hubschrauber vereinbarte Summe von acht Milliarden Euro. Im Gegenzug erhält die Marine zusätzlich 18 Hubschrauber des für die Seestreitkräfte ausgelegten Typs NH90 „Sea Lion“ im Wert von 915 Millionen Euro; für 22 weitere NH90 wurde eine Option vereinbart. Der Deal zwischen Ministerium und Eurocopter ist in einem als Verschlusssache eingestuften „Memorandum of Understanding“ festgehalten, das der F.A.S. vorliegt.