Verfassungsschutzgesetz : Kampf gegen digitale Rechtsextremisten
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Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) Bild: EPA
Monatelang blieb der Entwurf für das neue Verfassungsschutzgesetz einfach liegen. Nach dem Anschlag von Halle könnte es jetzt schnell damit gehen – doch bislang sind sich Innenminister Horst Seehofer und Justizministerin Christine Lambrecht uneinig.
Die Bundesregierung will auf den zunehmenden Rechtsextremismus in Deutschland antworten. Nach dem antisemitischen Anschlag von Halle soll das Verfassungsschutzgesetz überarbeitet werden. Jetzt also doch noch. Die Sicherheitsbehörden warten schon länger auf das „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechtes“, wie es genau heißt. Dessen Sinn erklärt der CDU-Innenpolitiker Christoph Bernstiel, der seinen Bundestagswahlkreis in Halle hat, so: „Wir wollen damit den Instrumentenkoffer der Ermittler mit Werkzeugen des 21. Jahrhunderts ausstatten.“ Es geht nicht um mehr Befugnisse, aber die bisherigen Befugnisse sollen endlich auch für die digitale Welt gelten.

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.
Dazu gehören Online-Durchsuchungen mit sogenannten Staatstrojanern oder auch die Möglichkeit, verschlüsselte Messenger-Dienste zu entschlüsseln, etwa Whatsapp-Gruppen. Im Gesetzentwurf steht zudem, dass Internetplattformen die Daten der Nutzer deutlich länger speichern müssen, damit sie nicht schon gelöscht sind, wenn die Ermittlungen gegen Kriminalität und Hass im Internet überhaupt erst beginnen. Technisch sei das alles nicht problematisch, sagen die Ermittlungsbehörden. Es fehlen allerdings bisher die rechtlichen Grundlagen.
Eigentlich könnte es die längst geben, zumal Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart hatten, die Befugnisse des Verfassungsschutzes zu erweitern und zu vereinheitlichen, „insbesondere bei der Datenerhebung und Datenspeicherung“. Allerdings sollte das „maßvoll“ geschehen und „sachgerecht“, wie die Sozialdemokraten vorsichtshalber in den Vertrag hineinschrieben. Und unter Ausweitung der parlamentarischen Kontrolle.
Einen Gesetzentwurf aus dem Bundesinnenministerium gibt es seit März, im Juni wurde im Bundestagsplenum mal kurz darüber debattiert. Da lag das Papier schon einige Zeit im SPD-geführten Justizministerium, und da liegt es immer noch. Die damalige Justizministerin Katarina Barley sagte, sie wolle den Entwurf nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Denn er sei nichts weiter als ein Wunschkatalog des Innenministeriums.
Für ihre rigorose Haltung hatte Barley drei Gründe. Einer stammte noch aus dem Jahr zuvor, als der damalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sein Amt verlor – und seine Behörde bei der Gelegenheit viel Vertrauen. Barleys zweiter Grund war der Widerstand der SPD. Unter anderem machte er sich an einem Punkt fest, der eigentlich nur ein Detail des Ganzen war: Datenspeicherung auch von Kindern. Minister Horst Seehofer hatte das damit begründet, dass viele Kinder im dschihadistischen Umfeld unterwegs seien. Ein zwölf Jahre alter Junge beispielsweise hatte mit einer selbstgebauten Bombe einen Anschlag in Ludwigshafen verüben wollen. Die Sache war gescheitert, weil die Bombe nichts taugte.
Wechsel im Justizministerium
Der dritte Grund für Barleys Skepsis schließlich war eigennützig. Sie stand im Europa-Wahlkampf als das Gesicht ihrer Partei. Da wollte sie Seehofer und der Union den Erfolg nicht zugestehen. Die Wahl war im Mai, Barley wechselte die Bühne. Nachfolgerin im Ministerium wurde Christine Lambrecht.