Hilfspolizisten in Sachsen : Waffeneinsatz nach dreimonatiger Ausbildung
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Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) überreichte Ende April den ersten 47 Wachpolizisten ihre Ernennungsurkunden. Bild: dpa
Bis Ende des kommenden Jahres sollen in Sachsen 550 Hilfspolizisten eingestellt werden, Innenminister de Maizière sieht ein „zukunftsweisendes Modell“. Doch die Kritik daran ist groß.
So viel Reklame ist eigentlich gar nicht nötig: „Wachpolizist werden – eine Chance wie keine andere“, heißt es noch immer bei Sachsens Polizei, dabei erhielt das Innenministerium bereits nach der Ausschreibung der ersten 50 Stellen Anfang dieses Jahres rund 20-mal mehr Bewerbungen, als Plätze da sind.
Die formalen Voraussetzungen für einen Ausbildungsplatz sind nicht hoch: Bewerber müssen deutsche Staatsangehörige sein, einen Real- oder Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung haben, mindestens 1,60 Meter groß und nicht älter als 33 Jahre sein, sie müssen eine Fahrerlaubnis besitzen, dürfen nicht vorbestraft sein und keine „Piercings oder Tatoos im sichtbaren Bereich“ tragen.
Letzteres soll dem Vernehmen nach eine nicht geringe Hürde gewesen sein, dennoch konnte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) bereits Ende April den ersten 47 Wachpolizisten ihre Ernennungsurkunden überreichen. Nach einer dreimonatigen Ausbildung sind sie nun in den Polizeidirektionen Leipzig und Dresden im Objektschutz im Einsatz, sie bewachen vor allem Unterkünfte von Asylbewerbern, aber auch den Landtag oder die Synagoge in Dresden.
Äußerlich ähneln sie fast vollständig anderen Polizisten, lediglich ihre Schulterklappen weisen sie als „Wachpolizei“ aus. Ihre Vorteile aus Sicht des Staates sind die schnelle Verfügbarkeit sowie die gegenüber regulären Polizeibeamten geringere Entlohnung; Wachpolizisten verdienen rund 2200 Euro brutto. Zum Vergleich: Ein 23 Jahre alter Polizeikommissar (ledig, keine Kinder) bekommt in der Besoldungsgruppe A9 rund 2200 Euro netto.
„Erfahrungen durchweg positiv“
„Die Wachpolizei ist ein wichtiger Baustein in unserer Sicherheitsarchitektur“, lobt Minister Ulbig. „Bisher sind unsere Erfahrungen durchweg positiv.“ Er wolle den Einsatz der neuen Truppe weiter beobachten. Doch kündigte Ulbig schon an, zu prüfen, inwiefern sich die Aufgaben der Wachpolizei „anpassen oder sogar erweitern“ ließen.
Diese Erweiterungsmöglichkeiten sieht schon heute Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der in Dresden zu Hause ist und nun den Vorschlag machte, Wachpolizisten künftig auch gegen die steigende Zahl von Wohnungseinbrüchen einzusetzen. „Das ist ein zukunftsweisendes Modell“, sagte er. So könnten Wachpolizisten in besonders belasteten Vierteln auf Streife gehen, Präsenz zeigen und Vorfälle melden.
Doch ist die Kritik an dem Modell groß. Vor allem die kurze Ausbildung, manche sprechen auch von „Schnellbesohlung“, sorgt für viele Fragen, zumal sich die überwiegende Zahl der Bewerber für die neuen Stellen zuvor erfolglos für eine reguläre Polizeiausbildung beworben hatte oder bei dieser durchgefallen war. Jetzt müssen sie zweieinhalb Jahre weniger büffeln als ihre „regulären“ Kollegen – und dürfen dennoch auch eine Waffe tragen.
„Sparwahn und Sturheit“
Sachsens Linkspartei etwa sieht es als Verstoß gegen die Verfassung, wenn Hoheitsrechte nicht mehr von Beamten ausgeübt werden, sondern Tarifbeschäftigte über den Einsatz von Waffen, Freiheitsentzug und unmittelbare körperliche Gewalt entscheiden dürften. Und die Gewerkschaft der Polizei Sachsen protestierte gegen die „Billigpolizei“ und kritisierte „Sparwahn und Sturheit“ der Politik.
Tatsächlich haben Wachpolizisten nicht die gleichen Befugnisse wie Polizeibeamte. Erstere seien lediglich zur Gefahrenabwehr befugt, Letztere auch zur Strafverfolgung, erläutert Polizeihauptkommissar Stefan Walter von der Bereitschaftspolizei Sachsen. „Wachpolizisten dürfen zum Beispiel keinen Verkehrsunfall aufnehmen oder Verdächtige vernehmen.“ Dass sie dennoch auch eine Waffe tragen, sieht Walter „unkritisch“.
Wachpolizisten hätten genauso viele Stunden Schießausbildung wie Polizeianwärter, nur dass sie das Schießtraining innerhalb von zwölf Wochen absolvieren müssten. Eine bestandene Prüfung beim Schießen sei wiederum Voraussetzung, um Wachpolizist zu werden. Im Übrigen sei die Anwendung der Waffe immer das allerletzte Mittel. „Niemand geht damit leichtfertig um. Wir sind hier ja nicht im Wilden Westen“, sagt Walter. Im Übrigen wäre es sträflich, die neuen Kollegen ohne ausreichenden Schutz in Gefahrensituationen zu schicken.
Wiedereinführung aus reiner Not
Eine Wachpolizei an sich ist nichts völlig Neues, seit Jahren gibt es sie auch in Berlin und Hessen, wo die Angestellten ebenfalls im Objektschutz tätig sind. Die Wiedereinführung in Sachsen in diesem Frühjahr allerdings war aus reiner Not geboren. Jahrelang hat das Land reguläre Polizeistellen abgebaut und auch noch im vergangenen Jahr lange daran festgehalten, dies auch weiterhin zu tun.
Erst als die Zahl der Übergriffe auf Asylbewerberheime in die Höhe schnellte, fasste die CDU/SPD-Koalition den Beschluss, die Wachpolizei wieder einzuführen – wie schon einmal nach den Terroranschlägen auf die Vereinigten Staaten im September 2001. Die damals eingestellten Wachpolizisten wurden ab 2006 in den regulären Dienst übernommen und zu Polizeibeamten ausgebildet.
Insgesamt 550 Stellen
Eine solche Chance will das Land auch den heutigen Wachpolizisten eröffnen: Nach zwei Jahren im Dienst sollen sie mit einer verkürzten Ausbildung in den Polizeivollzugsdienst eintreten können. Gegenwärtig absolvieren weitere 100 künftige Wachpolizisten in Sachsen ihre Ausbildung, bis Ende kommenden Jahres will das Land insgesamt 550 Stellen für die Truppe schaffen.
Innenminister Ulbig jedenfalls empfahl das Modell am Donnerstag explizit seinem Parteifreund de Maizière: Die Wachpolizei sei „ein zukunftsfähiges Modell, um rasch auf veränderte Lagebedingungen bei der Polizei zu reagieren“. Die Opposition freilich sieht darin weiterhin nur eine Reaktion auf ureigene Versäumnisse der Regierung.