Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl ist am Freitagmorgen im Alter von 87 Jahren gestorben. Seinen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte er sich in den Jahren 1989 und 1990, als er maßgeblich dazu beitrug, dass nach mehr als 40 Jahren Ost- und Westdeutsche wieder in einem Staat vereint leben konnten. Der „Kanzler der Einheit“ hat in seinem politischen Leben mehrere Rekorde aufgestellt. So führte er seine Partei, die CDU, ein Vierteljahrhundert lang, von 1973 bis 1998.
Als Bundeskanzler amtierte er 16 Jahre lang. Zuvor war er sieben Jahre lang Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz gewesen. Nach der knapp verlorenen Bundestagswahl 1976 gab er dieses Amt auf und ging als Oppositionsführer in den Bundestag.

Trauer um den Kanzler der Einheit
Von PETER STURM16. Juni 2017 · Helmut Kohl ist am Freitag gestorben. Er wurde 87 Jahre alt. Als Bundeskanzler trug er maßgeblich dazu bei, dass Ost- und Westdeutsche wieder in einem Staat vereint leben können.
Die Kanzlerkandidatur für die Wahl vier Jahre später sicherte sich der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß, der gegen Amtsinhaber Helmut Schmidt aber ein für damalige Verhältnisse schwaches Ergebnis erreichte. Kohl erreichte sein Ziel schließlich im Oktober 1982 ohne Wahl. Im Laufe des Sommers hatte er es geschafft, die in der Koalition mit den Sozialdemokraten zunehmend unglückliche FDP unter Hans-Dietrich Genscher zum politischen Partnerwechsel zu überreden.
In einem konstruktiven Misstrauensvotum wählte ihn die neue Mehrheit zum Nachfolger Helmut Schmidts. Den Regierungswechsel bestätigten die Wähler einige Monate später. In den ersten Jahren seiner Kanzlerschaft war Kohl beliebter Gegenstand der politischen Satire, was seiner Beliebtheit bei den Wählern aber keinen nachhaltigen Schaden zufügte. Im Frühjahr und Sommer 1989 häufte sich allerdings als Folge von Niederlagen bei wichtigen Landtagswahlen die Kritik in der eigenen Partei. Die Gegner wollten einen Wechsel im Kanzleramt herbeiführen. Gerettet hat Kohl der sich in diesen Wochen beschleunigende Auflösungsprozess im Ostblock. Ungarn öffnete seine Grenzen nach Westen. Diese Chance zur Flucht nutzten Tausende DDR-Bürger.
DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker, 1987 noch mit allen Ehren als Staatsgast in Bonn empfangen, wurde von den eigenen Genossen zum Rücktritt gezwungen. Den Zusammenbruch der DDR konnte allerdings auch sein Kurzzeit-Nachfolger Egon Krenz nicht verhindern. Kohl, der sich nach einigen Irritationen zu Beginn inzwischen mit dem sowjetischen Parteichef Michail Gorbatschow sehr gut verstand, manövrierte Deutschland und Europa mit ruhiger Hand durch die dramatischen Monate. Sinnfälligstes Symbol der Zeitenwende war die Öffnung der Berliner Mauer am 9. November 1989. Kohl, zu diesem Zeitpunkt zu Besuch in Polen, eilte sofort nach Berlin und hielt bei einer Kundgebung eine Rede.
Ohne langwierige Konsultationen mit dem Koalitionspartner oder den Verbündeten entwickelte Kohl kurze Zeit danach einen Zehn-Punkte-Plan für eine Konföderation der beiden deutschen Staaten. Damit machte er einer breiten Öffentlichkeit erstmals klar, dass Bewegung in die scheinbar festgemauerte deutsche Frage gekommen war. International freilich mussten viele Widerstände überwunden werden, ehe Deutschland in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 seine Wiedervereinigung feiern konnte. Hier tat sich besonders die britische Premierministerin Margaret Thatcher hervor.
Der französische Staatspräsident François Mitterrand hingegen erwies sich im entscheidenden Moment als zuverlässiger Freund. Zur Erleichterung unter anderem des amerikanischen Bündnispartners blieb auch Gesamtdeutschland Mitglied der Nato.
Die Bundestagswahl 1990 gewann Kohl souverän. Zur Überraschung vieler gelang ihm auch vier Jahre später noch einmal ein Wahlsieg. Nach 1994 allerdings häuften sich Fragen nach der Nachfolge. Zeitweise schien es, als wolle Kohl den Weg ins Kanzleramt für Wolfgang Schäuble ebnen. Kohl, der überzeugte Europäer, hatte sich aber zum Ziel gesetzt, selbst noch die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung durchzusetzen.
Gegen hinhaltenden Widerstand Vieler setzte Kohl die entscheidenden Beschlüsse durch. Den Wahlkampf zur Bundestagswahl 1998 führte der politische Gegner, angeführt vom niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, mit der Parole, 16 Jahre Kohl seien genug. Das sahen die Wähler auch so. Kohl zog sich nach der Niederlage auch vom Parteivorsitz zurück.
Dem Politpensionär versagte auch der politische Gegner zunächst nicht die Anerkennung. Das änderte sich erst im Zuge der so genannten CDU-Spendenaffäre. Kohl weigerte sich, die Namen von Spendern preiszugeben. Die damalige Generalsekretärin Angela Merkel schrieb in einem Beitrag für die F.A.Z. über das Abnabeln der CDU von Kohl. Daraufhin legte dieser aus Verärgerung den Ehrenvorsitz der Partei nieder.
In seinen letzten Lebensjahren bemühte sich Kohl, unter anderem durch das Verfassen umfangreicher Memoiren, um sein Bild in der Geschichte. In der Öffentlichkeit trat er nach einem schweren Sturz im Jahre 2008 kaum noch auf. Nachdem seine Frau Hannelore im Juli 2001 wegen einer schweren Erkrankung den Freitod gewählt hatte, heiratete Helmut Kohl im Mai 2008 die Ministerialbeamtin Maike Richter.
Quelle: F.A.Z.
Veröffentlicht: 16.06.2017 17:49 Uhr
