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Streit um Auffrischimpfungen : Kassenärzte wettern gegen Spahn

Bis Dienstag sind erst knapp 2,1 Millionen Booster-Impfungen verabreicht worden. Die Auffrischung wird derzeit jedoch für etwa 15 Millionen Menschen empfohlen. Bild: AP

Dass der Gesundheitsminister von Corona-Boostern für alle gesprochen hat, war nach Auffassung der Mediziner nicht hilfreich. Patienten seien verunsichert worden – der Schaden müsse in den Praxen durch Gespräche „repariert“ werden.

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          Den Namen nannten sie zwar nicht direkt. Doch wer die Corona-Diskussion der vergangenen Tage verfolgt hat, dem musste gleich klar sein, an wessen Adresse die Kritik gerichtet war. Vertreter der Kassenärzte haben den geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für dessen Äußerung gerügt, dass in der Corona-Krise genug Impfstoff vorhanden sei, um jedem eine Auffrischimpfung zu geben, der dies wolle. „Wir verlassen uns in dieser Frage auf die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Berlin. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt den sogenannten Booster derzeit nur für Personen von 70 Jahren an sowie für medizinisches und pflegerisches Personal. Spahn hatte mit seiner Äußerung den Eindruck erweckt, dass nun auch Jüngere eine Auffrischimpfung bekommen können.

          Kim Björn Becker
          Redakteur in der Politik.

          Der stellvertretende Chef der Kassenärzte, Stephan Hofmeister, hielt Spahn vor, den Praxen der niedergelassenen Ärzte so zusätzlichen Aufwand bereitet zu haben. „Die Praxen verbrauchen gerade viel Zeit, um mit verunsicherten Menschen zu reden“, sagte Hofmeister. „Diese Verunsicherung müssen wir mühsam reparieren.“ Dabei sei in den Praxen ohnehin viel los, gerade rollt eine Erkältungswelle durch das Land. Es gehe in dieser Frage um „Zeit, die wir nicht haben“. Und auch Spahns Anregung an die Bundesländer, dass diese ihre Impfzentren wieder öffnen könnten, um den Bürgern schneller die dritte Impfdosis verabreichen zu können, wollten die Ärztevertreter in der Bundespressekonferenz nicht einfach so stehen lassen.

          „Wir haben Zehntausende Impfzentren über das ganze Land verteilt, nämlich die niedergelassenen Ärzte“, sagte Gassen. Bezogen auf die Auffrischimpfungen, sagte er, die Praxen „können das leisten“, sie könnten gar Enormes leisten, bis zu 3,5 Millionen Impfungen in der Woche nämlich. Doch dafür müssten die Rahmenbedingungen stimmen, sagte Gassen. Rahmenbedingungen, das war in diesem Zusammenhang auch nur ein anderes Wort für die Vorschläge des Bundesgesundheitsministers, der bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung geschäftsführend im Amt ist. SPD, Grüne und FDP wollen den Sozialdemokraten Olaf Scholz Anfang Dezember zum neuen Bundeskanzler wählen.

          Nur wenige Ältere haben einen Booster bekommen

          Doch es blieb nicht bei Kritik. Beide Ärztevertreter, Gassen und Hofmeister, warben am Dienstag dafür, dass die Verwaltungen jene Bürger, die für eine Auffrischimpfung in Frage kommen, zentral auf die Möglichkeit der dritten Spritze hinweisen. Gassen plädierte für ein „gezieltes Einladungsverfahren“. Sein Stellvertreter Hofmeister sagte: „Die Ärzte können nicht alle Impfberechtigten abtelefonieren, das wäre nicht leistbar.“

          An die Adresse Spahns sagte er, eine „einheitliche Informationspolitik“ würde den Praxen die Arbeit erheblich erleichtern. Die Vertreter der Kassenärzte mahnten, dass derzeit nicht nur zu wenige Menschen gegen Corona grundimmunisiert seien; die Impfquote liegt zwischen 67 und 72 Prozent. Zudem sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bis Dienstag bundesweit erst knapp 2,1 Millionen Booster verabreicht worden. Die Auffrischung wird derzeit jedoch für etwa 15 Millionen Menschen empfohlen. Damit wären erst 14 Prozent aller in Frage kommenden Geimpften aufgefrischt.

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