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Härtere Corona-Maßnahmen : In der CDU wächst der Widerstand

Ende September in Berlin: Angela Merkel (CDU) und Markus Söder (CSU) stellen die Ergebnisse der Beratungen über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie vor. Bild: dpa

In der CDU wird der Unmut gegen „Drohszenarien“ der Bundesspitze im Kampf gegen das Coronavirus lauter. Auch der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Günther schert aus – Zeit für eine Grundsatzdebatte?

  • -Aktualisiert am
          2 Min.

          Die sprunghaft auf mehr als 11.000 gestiegene Zahl der Neuinfektionen in Deutschland war erst ein paar Stunden in der Welt, da meldete sich CSU-Generalsekretär Markus Blume zu Wort. In einem Video-Gespräch mit Journalisten bekräftigte Blume den entschlossenen Kurs der CSU und vor allem des Vorsitzenden Markus Söder im Kampf gegen die Pandemie. Mehr als achtzig Prozent der Bevölkerung seien der Auffassung, die gegen die Verbreitung des Virus ergriffenen Maßnahmen seien richtig. Da solle man nicht jeden Tag den Kurs hinterfragen. Besonders zielte diese Bemerkung auf die FDP, die Blume als „ziemlich lost“ bezeichnete. Die AfD bekam ihr Fett ohnehin weg.

          Eckart Lohse
          Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin.

          Kritik an der CDU äußerte er nicht. Dabei ist inzwischen unübersehbar, dass die Diskussion über den richtigen Kurs im Kampf gegen die Pandemie auch in der CDU angekommen ist. Die steigenden Infektionszahlen führen nicht zu dem Effekt wie im Frühjahr, dass alle geeint hinter den beschlossenen Einschränkungen stehen. Diejenigen, die weiterhin für ein besonders hartes Vorgehen werben, die zwar noch nicht offen für Grenzschließungen oder einen Lockdown eintreten, aber zumindest über diese Optionen reden, wissen auch, dass im Frühjahr die Zustimmung so breit war, weil das ganze Land mehr oder weniger gleichermaßen betroffen war. Nachdem es Lockerungen gegeben hatte und nun wieder Verschärfungen drohen, die nicht alle treffen, stellen sich auch Gerechtigkeitsfragen.

          Daniel Günther: Maßnahmen wirken

          An diesem Punkt befindet sich die Debatte in der CDU. Dass der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion und Vorsitzende der Mittelstandsunion, Carsten Linnemann, kürzlich deutlich vor immer härteren Drohszenarien warnte, war noch nicht zu überraschend. Er hat die Interessen auch kleiner Mittelständler zu vertreten, von denen immer mehr in Existenznot geraten. Linnemann hatte der F.A.Z. gesagt, es gebe „zu oft die allerschärfsten Mahnungen von der politischen Spitze, aber zu wenig Differenzierung“. Da war die tägliche Zahl von Neuinfektionen zwar noch nicht fünf-, aber schon hoch vierstellig gewesen. Linnemann nannte zwar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsident Söder nicht ausdrücklich, dürfte aber mit dem Begriff „politische Spitze“ auf sie gezielt haben.

          Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein während einer Pressekonferenz im September
          Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein während einer Pressekonferenz im September : Bild: dpa

          Doch wichtiger noch als die Kritik des Mittelstandspolitikers waren Äußerungen des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU) unmittelbar vor dem jüngsten Treffen Merkels mit den Regierungschefs der Länder in der vorigen Wochen. Er hatte den Sinn eines Präsenztreffens in Berlin rundheraus in Abrede gestellt und auch ansonsten die Auffassung vertreten, dass die bisherigen Maßnahmen gegen das Virus alles in allem eine gute Wirkung hätten. Günther gehört eindeutig ins Merkel-Lager. Dass er im Kampf gegen die Pandemie so spricht, zeigt, dass sich die Partei bereits in einer sehr grundsätzlichen Auseinandersetzung befindet.

          Streben nach mehr Beteiligung des Bundestags

          Ein deutliches Zeichen dafür ist auch, dass der bislang weitgehend ruhige CDU-Teil des Bundestages gerade in einer Zeit steil steigender Infektionszahlen anfängt, auf eine wichtigere Rolle im Kampf gegen das Virus zu pochen. Nachdem Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Vorschläge unterbreitet hatte, die dem Bundestag mehr Gewicht beim Beschließen von Maßnahmen gegen die Pandemie geben sollen, zeigte sich auch der nicht zur Aufmüpfigkeit neigende Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus (CDU) offen dafür. Von der SPD-Spitze hieß es sogar ausdrücklich, die Vorschläge gingen in die richtige Richtung.

          Gerade jetzt, da die zweite Infektionswelle sich dramatisch aufbaut und die von Merkel kürzlich für die Weihnachtszeit errechnete Zahl von täglich 19.000 Neuinfektionen noch vor dem ersten Advent in greifbare Nähe zu rücken scheint, da sich sogar Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit dem Coronavirus infiziert hat, scheint in der CDU eine Grundsatzdebatte zu beginnen. Wie hatte Blume über derartige Debatten gesagt: „Den Takt geben nicht Parlamente und Regierungen an, sondern das Virus.“

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