Grünen-Parteitag in Niedersachsen : Abgefrackt
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Fracking polarisiert: Mit diesem Plakat protestierten Demonstranten in Brünen (Nordrhein-Westfalen) gegen die umstrittene Erdgasförderung Bild: dpa
Beim Parteitag der niedersächsischen Grünen in Walsrode führt die Basis die Parteiführung vor. Sie verpflichtet die Parteispitze auf ein kategorisches Verbot von Fracking - und des Imports „gefrackter“ Energieträger.
Die vereinten Bemühungen der grünen Landesminister, des grünen Fraktionsvorstandes und der grünen Parteispitze sind vergebens gewesen: Die Grünen-Basis in Niedersachsen hat ihre politische Führung am Wochenende auf einen resoluten Anti-Fracking-Kurs verpflichtet, der zu Spannungen in der rot-grünen Landesregierung führen könnte und die Position von Umweltminister Stefan Wenzel schwächt.

Politischer Korrespondent für Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen mit Sitz in Hannover.
Nur 80 Delegierte folgten auf der Landesdelegiertenkonferenz in Walsrode einem Antrag des Landesvorstands, nach dem das grüne Nein zur Erdgasförderung mittels Fracking in eine „Ausstiegshierarchie“ eingebettet werden sollte. Diese sieht vor, dem Ausstieg aus der Kernkraft zunächst einen Ausstieg aus der Braunkohle, der Steinkohle sowie dem Erdöl folgen zu lassen und erst danach auf die Nutzung von Erdgas zu verzichten. Die Mehrheit, nämlich 89 Delegierte, wollten hingegen einen sofortigen Ausstieg. Sie stimmten für die schärfstmögliche Ablehnung des Frackings, die überhaupt zur Auswahl stand.
Im Sinne der „Korbacher Resolution“ hat die grüne Partei in Niedersachsen demnach künftig nicht nur für „ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking“ einzutreten. Die niedersächsischen Grünen fordern künftig auch ein „generelles Import- und Handelsverbot von ‚gefrackten‘ fossilen Energieträgern“. Die Frage, ob und wie sich solche Verbote überhaupt durchsetzen lassen, ließ in Walsrode auch versierte Fracking-Gegner ratlos die Schultern zucken.
„Aus Hannover muss mehr kommen“
Doch die Grünen-Delegierten in Niedersachsen, wo - insbesondere aus den Regionen Rotenburg an der Wümme, Verden und Osnabrück – 20.000 Beschäftigte insgesamt etwa 95 Prozent des deutschen Fracking-Gases fördern, stehen selbst unter Druck. Von „wendländischen Verhältnissen“ berichtet ein Delegierter in der Walsroder Stadthalle, vor der zahlreiche Autos nicht nur die gelben Aufkleber der Anti-Atom-Bewegung auf ihren Heckklappe tragen, sondern auch rote Anti-Fracking-Papper. Berichte über erhöhte Quecksilberkonzentrationen und Krebsraten sowie Erdbeben, wie valide auch immer diese sind, haben den Widerstandsgeist in den betroffenen Landstrichen genährt. Umweltminister Wenzel habe zwar „einiges auf den Weg gebracht, aber das reicht nicht“, kritisiert ein Grüner in Walsrode. „Aus Hannover muss mehr kommen!“
Der Landesvorsitzende Jan Haude zollt den betroffenen Kreisverbänden zwar „maximalen Respekt“, weist aber darauf hin, dass „wir als Grüne andere Interessen als Bürgerinitiativen haben“. Das Ziel der Grünen sei es, die Erderwärmung zu stoppen. Deshalb müsse man „für einen Übergangszeitraum insbesondere bei der Wärmeversorgung über Erdgas“ reden, so Haude. Umweltminister Wenzel wird etwas deutlicher: Er warnt vor einer „Vogel-Strauß-Politik“, die im eigenen Land die Standards hoch hält, aber dafür die Energie andernorts dreckiger produzieren lässt. Auch warnt er davor, sich „juristisch auf die Nase zu legen.“ In Hannover erarbeiten die Grünen mit dem frackingfreundlicheren Koalitionspartner SPD einen Erlass, der diese Förderungsmethode nur unter strengen Auflagen ermöglichen soll. Die eigentlichen Entscheidungen fallen jedoch auf Bundesebene.
Die Rufe des Umweltministers verhallen
Doch Wenzels Mahnung an seinen Landesverband, die „Debatten da zu führen, wo sie hingehören“, findet kein Gehör. Auch der Ruf der Fraktionsvorsitzenden Anja Piel, dem eigenen Umweltminister „Rückendeckung“ zu verschaffen, verhallt. Es obsiegt der Wille der Parteibasis, einen Pflock einzurammen – um den Preis, dass die Parteiführung als Verlierer dasteht, Zwist in die Landesregierung getragen wird und die Klimapolitik der Grünen um einen Widerspruch ergänzt ist.
Einen Widerspruch in ihrer bisherigen Politik erkannten die niedersächsischen Grünen in Walsrode indes beim Umgang mit dem Biogas. Der Flächenanteil der Energiepflanzen an der landwirtschaftlichen Nutzfläche von elf Prozent sei „nicht weiter ausbaubar“, heißt es in einem Beschluss. Der Biogas-Boom habe zu „enormen Preisanstiegen bei Pacht und Kauf“ geführt, doch der Betrieb der Anlagen sei „nicht nur teuer, sondern hat auch sehr negative Auswirkungen auf Landwirtschaft und Umwelt“.