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Grüne in Berlin : Geisterbahn der frühen Jahre

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Die umstrittenen Fraktionsvorsitzenden Ramona Pop und Volker Ratzmann

Die umstrittenen Fraktionsvorsitzenden Ramona Pop und Volker Ratzmann Bild: dpa

Radikalismus oder Regieren, Hausbesetzer oder grünes Bürgertum: Die Berliner Grünen sind innerlich derart gespalten, dass sie auf externe Streitschlichter angewiesen sind.

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          Ausgerechnet der zur Kreuzberger Folklore gehörende traditionelle Linksradikalismus der achtziger Jahre erweist sich in diesen Tagen als Bruchstelle in der weiteren Entwicklung der Berliner Grünen. Er bildete die vorläufige Endstation für ihren Ehrgeiz, die Stadt mitzuregieren. Konflikte, die in anderen Parteien bedenklich oder traurig sind, besitzen bei den Berliner Grünen etwas grotesk Verzerrtes, was ihnen in den Augen Außenstehender etwas Drolliges, aus der Zeit Gefallenes verleiht.

          Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 18. September schnitten die Grünen mit ihrer Spitzenkandidatin Renate Künast so erfolgreich ab wie nie: 17,6 Prozent der Wähler entschieden sich für sie. Doch für viele fühlte sich das Ergebnis schon am Wahlabend wie eine Niederlage an, und es endete schließlich auch in einer Niederlage, als Klaus Wowereit (SPD) die Mehrheit von zwei Stimmen im Abgeordnetenhaus für zu riskant hielt, um es mit Rot-Grün zu versuchen. Die Koalitionsverhandlung endete nach einer Stunde. Während nun SPD und CDU munter und einvernehmlich die Stadtpolitik der nächsten fünf Jahre bestimmen, zerlegen sich die Grünen.

          Denn als es in der vergangenen Woche in der Fraktion an die Wahl der Doppelspitze ging, meldeten sich zwei Kreuzberger Abgeordnete und kandidierten gegen Ramona Pop und Volker Ratzmann: „Linke“ seien in der Fraktion immer schon ausgegrenzt worden, sie müssten besser auch in der Fraktionsführung vertreten sein, schließlich repräsentierten sie 40 Prozent der Fraktion. Es gelang Canan Bayram und Dirk Behrendt - beide sind Juristen - jedoch nicht, mehr Stimmen als Frau Pop und Ratzmann auf sich zu ziehen; die Mehrheit für diese war knapp, aber eindeutig.

          Seither verlangen die Kreuzberger „Linken“ den Rücktritt von Frau Pop oder Ratzmann. Sie verkünden, sie fühlten sich von diesen nicht vertreten, und kündigen an, künftig als „parlamentarische Linke“ eigene Initiativen im Abgeordnetenhaus zu ergreifen. Sie weigerten sich, Kandidaten für vier vakante Posten in der Fraktionsführung zu benennen, und sorgten für eine „veritable Krise“, wie Ratzmann sagt. Inzwischen wurden zwei Mediatoren eingeschaltet, die mit einem „strukturierten Gespräch“ dem inhaltsleeren Machtkampf ein Ende und der schlagkräftigen Oppositionsfraktion, ja der Berliner Oppositionsführung Bahn brechen soll.

          Der offensichtliche Grund wird nicht laut genannt

          Es gehört zum linken Milieu, das in Berlin weit in bürgerliche Kreise hineinstrahlt, dass der offensichtliche Grund, die Ansprüche des Abgeordneten Behrendt zurückzuweisen, weder öffentlich noch intern laut genannt wurde, weder vor Behrendts Niederlage noch danach: Behrendt ist der Lebensgefährte des Parteivorsitzenden Daniel Wesener. Wenn der eine die Partei, der andere die Fraktion führte, wäre das eine allerliebste Fortschreibung der Altberliner Sitte „Hier können Familien Kaffee kochen“.

          Und Frau Bayram, die gegen Frau Pop unterlag, könnte zu den Gründen gehören, die Wowereit nicht nannte, aber durchaus meinte, als er die Sache mit den Grünen für zu wackelig erklärte. Bis 2009 nämlich saß sie in der SPD-Fraktion, damals kam es zu einem seltsamen Frauentausch zwischen SPD- und Grünen-Fraktion: Frau Bayram ging zu den Grünen, und Bilkay Öney, die inzwischen Ministerin in Stuttgart ist, wechselte zur SPD.

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