Forderungen der SPD : Ohne Bürgerversicherung keine Groko?
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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der SPD-Parteivorsitzende Martin Schulz am 21. November im Bundestag Bild: BRUNA/EPA-EFE/REX/Shutterstock
Die Union wirbt für eine große Koalition – und warnt die SPD vor überzogenen Forderungen. Doch die Sozialdemokraten wollen sich teuer verkaufen, erst recht nach dem Glyphosat-Konflikt. Ein Überblick über die Lieblingsprojekte der SPD.
Der Konflikt um CSU-Landwirtschaftsminister Schmidt und seinen Alleingang bei der Glyphosat-Zulassung trifft Angela Merkel zur Unzeit. Denn er empört die SPD – die sich gerade mühsam an den Gedanken einer neuen großen Koalition gewöhnt. Nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen waren die Sozialdemokraten ohnehin in einer strategisch vorteilhaften Position; nun hat sich diese vielleicht noch verbessert.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs kündigte am Dienstag bereits an, dass Schmidts Fehler für die Union teuer werden wird. Sollte es zu Gesprächen über eine große Koalition kommen, werden die Sozialdemokraten ihre Inhalte nun wohl noch vehementer verteidigen. In den vergangenen Tagen haben führende SPD-Politiker schon einmal das Territorium für eine mögliche Groko abgesteckt.
Die Union reagierte – und warnte die Sozialdemokraten davor, sich bei Sondierungen zu teuer zu verkaufen. Dann könnten sie gleich „in der Schulz-Schmollecke“ bleiben, sagte etwa der baden-württembergische CDU-Landeschef Thomas Strobl. Eine Neuauflage der großen Koalition werde es nicht um jeden Preis geben. Mit dem Glyphosat-Konflikt hat sich das Kräfteverhältnis allerdings noch einmal zugunsten der SPD verschoben. Bei folgenden Themen werden die Sozialdemokraten nicht so schnell locker lassen:
Bürgerversicherung
Die Bürgerversicherung ist das bisher unerfüllte Lieblingsprojekt der SPD. Seit vielen Jahren will sie eine einheitliche Krankenversicherung für alle, zu gleichen Teilen finanziert von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Bislang zahlen die Versicherten über die Zusatzbeiträge einen höheren Anteil – und müssten künftige Steigerungen bei den Gesundheitskosten allein schultern. Die SPD will den Zusatzbeitrag abschaffen und in die Bürgersicherung alle „erstmalig und bislang gesetzlich Versicherten“ aufnehmen, heißt es in ihrem Regierungsprogramm. Wer schon privat versichert ist, kann entscheiden, ob er in die Bürgerversicherung wechseln möchte oder nicht. Außerdem will die SPD auch die Arzthonorare angleichen – Privatversicherte sollen nicht mehr bevorzugt behandelt werden. Auch in der Pflege wollen die Sozialdemokraten eine Bürgerversicherung einführen.
Konfliktpotenzial: Hoch. Für die Sozialdemokraten ist die Bürgerversicherung im Hinblick auf mögliche Sondierungen mit der Union laut SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach „ein zentrales Anliegen“. Ziel sei „ein gemeinsamer Versicherungsmarkt ohne Zwei-Klassen-Medizin“. Die Union lehnt die Bürgerversicherung strikt ab. Die „Zwangsvereinigung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung“ löse die Herausforderungen im Gesundheitswesen nicht, sagte CDU-Gesundheitsminister Hermann Gröhe bereits vor der Bundestagswahl.
Einigungschancen: Gering. Baden-Württembergs CDU-Landeschef Strobl warnte die Sozialdemokraten davor, „den Systemumbau der Krankenversicherung zum Eintrittsgeld für Gespräche“ zu machen. In diesem Fall brauche die SPD Verhandlungen gar nicht erst beginnen. Allerdings haben auch Unionspolitiker in der Vergangenheit vereinzelt eine Deckelung der Zusatzbeiträge ins Spiel gebracht.
Steuerpolitik
Die SPD will vor allem untere und mittlere Einkommen sowie Familien entlasten. Das Splitting will sie für neue Ehen beenden; an dessen Stelle könnte ein anderer Familientarif treten. Außerdem fordern die Sozialdemokraten einen höheren Spitzensteuersatz in der Einkommenssteuer und wollen für besonders hohe Vermögen eine „deutlich höhere“ Besteuerung. Über die Erbschaftssteuer könnte ein Investitionsprogramm in zweistelliger Milliardenhöhe für die Bereiche Bildung, Kommunen und Wohnen finanziert werden, heißt es in einem Brief der NRW-SPD an die Parteispitze in Berlin, aus dem die „Süddeutsche Zeitung“ zitierte. Auch gegen Steuerflucht wollen die Sozialdemokraten entschiedener vorgehen.