Nach Tumulten in Grevesmühlen : Innenminister Pegel: Unterwanderung der Proteste nicht hinnehmbar
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Polizisten sind am 26. Januar 2023 bei einer Versammlung vor dem Sitzungsgebäude des Kreistages in Grevesmühlen im Einsatz. Bild: dpa
In Grevesmühlen haben etwa 700 Menschen gegen eine Flüchtlingsunterkunft protestiert, unter ihnen offenbar auch Rechtsextreme. Einige versuchten, sich gewaltsam Zugang zum Kreistag zu verschaffen.
In der Ortschaft Grevesmühlen in Mecklenburg-Vorpommern ist es während einer Kreistagssitzung, bei der über die Einrichtung einer Flüchtlingsunterkunft entschieden wurde, zu Tumulten gekommen. Personen hätten versucht, sich gewaltsam Zutritt zum Kreistagsgebäude zu verschaffen, das von einer Kette von Polizisten gesichert worden sei, sagte eine Sprecherin der Polizei Wismar der F.A.Z. Eine Gruppe von rund 700 Personen protestierte demnach vor dem Kreistagsgebäude.
Presseberichten zufolge gelang es mehreren Personen, in das Gebäude einzudringen. Etwa 120 Beamte mussten die Kreistagsmitglieder abschirmen.
Container-Unterkunft für 400 Geflüchtete
Der Großteil der Protestierenden seien „bürgerliche Personen“ gewesen, doch seien auch Rechtsextreme und vereinzelt sogenannte „Reichsbürger“ beteiligt gewesen, so die Sprecherin der Polizei. In zwei Fällen werde nun wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz und je einmal wegen schweren Hausfriedensbruchs und Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz ermittelt, teilte die Polizei am Freitag mit.
Die Zahl der Tatverdächtigen sei noch nicht geklärt. Es müssten Zeugen befragt und Filmmaterial ausgewertet werden. Bei der Kreistagssitzung wurde am Donnerstag die Einrichtung einer Container-Unterkunft für 400 Geflüchtete in Upahl bei Grevesmühlen beschlossen. Ab März sollen dort die ersten Container stehen.
Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Christian Pegel kritisierte den Vorfall scharf. Meinungs- und Demonstrationsfreiheit seien zentrale Grundrechte einer Demokratie. „Dass allerdings bekannte Rechtsradikale und Rechtsextreme versuchen, diese Veranstaltungen für sich zu okkupieren, ist nicht hinnehmbar“, sagte der SPD-Politiker in Schwerin.
„Wenn dies einhergeht mit Störungen von Demonstrationen und dem Versuch, gewaltsam in Tagungsorte demokratisch gewählter kommunaler Entscheidungsgremien einzudringen, ist dies klar demokratiefeindlich“, äußerte Pegel. Die Vorgänge würden strafrechtlich aufgearbeitet.
Angriffe und Drohungen gegen gewählte Mandatsträger seien nicht hinnehmbar und würden geahndet, sage der Innenminister. Androhungen von Selbstjustiz und Hetze gegen Menschen, „die aus Kriegsgebieten oder wegen Verfolgung durch diktatorische Regime zu uns kommen, um Schutz zu finden“, seien gleichermaßen „klar feindlich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet“.
„Angriff auf den Kern unseres demokratischen Systems“
Die Landesvorsitzende der Grünen in Mecklenburg-Vorpommern, Katharina Horn, teilte mit, geflüchtete Menschen brauchten Schutz vor Krieg und Verfolgung, ihre Sicherheit gelte es zu garantieren. „Die hasserfüllten Menschen vor der Kreistagssitzung stellen genau das in Frage, was nie zur Debatte stehen darf.“ Der Sprecher der Grünen Jugend in Mecklenburg-Vorpommern, Paul Benduhn, sprach von einem „Angriff auf den Kern unseres demokratischen Systems“.
Die Demonstration in Grevesmühlen belege einmal mehr, wie derzeit Rechtsextreme versuchten, zum Hass aufzurufen und die Demokratie zu attackieren, sagte der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, am Freitag. Die Bilder erinnerten ihn an die versuchte Erstürmung des Reichstagsgebäudes oder den Angriff auf das Kapitol in Washington.
Auch der Landrat des Kreises Nordwestmecklenburg, Tino Schomann, kritisierte die Tumulte, zeigte aber zugleich Verständnis für die Sorgen der Anwohner. „Wir werden alles tun, um diese zu lindern und entstehende Problemlagen mit der temporären Unterkunft zu lösen“, sagte der CDU-Politiker.
Die Errichtung des Container-Dorfs sieht er als Notlösung an. „Ich mache keinen Hehl daraus, dass sowohl der Kreistag als auch wir als Verwaltung nicht glücklich damit sind, dass wir diese Entscheidung treffen mussten“, sagte er. Der Schritt sei aber nötig wegen der nicht nachlassenden, hohen Zuweisungszahlen.