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Gorleben-Untersuchungsausschuss : Merkel: „Weil ich damals noch nicht so perfekt war“

  • -Aktualisiert am
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag als Zeugin vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag als Zeugin vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages Bild: dapd

Eine Atommüll-Endlagersuche ohne Alternativen? Bundeskanzlerin Merkel sagt vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss als Zeugin aus. Abgeordnete der Opposition unterstellen ihr, in den neunziger Jahren als Umweltministerin die Unwahrheit gesagt zu haben.

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          Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein Bundeskanzler vor einen Untersuchungsausschuss des Bundestages geladen wird. Angela Merkel (CDU) wurde am Donnerstag zum weiten Mal einvernommen. Nachdem die Kanzlerin Anfang 2010 zur Kundus-Affäre aussagen musste, ging es am Donnerstag im Gorleben-Untersuchungsausschuss um ihre Jahre als Umweltministerin von 1994 bis 1998. In Detailfragen zeigte sie zwar hier und da Erinnerungslücken, doch waren die weit entfernt vom Format der Gedächtnislücken, die Helmut Kohl (CDU) vor dem Flick-Parteispenden-Untersuchungsausschuss 1984 für sich reklamierte.

          Andreas Mihm
          Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

          Wenn Merkel überhaupt etwas zugestand in dieser viereinhalbstündigen Zeugenbefragung, dann, dass sie 1995 als Umweltministerien „noch nicht ganz so perfekt war“. Die Kanzlerin verband das Eingeständnis mit dem ins Ironische gewendeten Satz: „Sprachlich versuche ich mich weiterzuentwickeln.“

          Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel 1995 im Schacht in Gorleben
          Die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel 1995 im Schacht in Gorleben : Bild: dpa

          Mehr schenkte Merkel der Opposition an diesem 91. Beratungstag nicht, nach zweieinhalb Jahren Untersuchungszeit. Auch wenn Unions-Obmann Reinhard Grindel (CDU) in öffentlicher Sitzung zugeben musste, dass SPD, Grüne und Linke, in der Befragung „einen Punkt“ gemacht hätten.

          Denn für Union und FDP überraschend ließen sie den Ausschnitt eines Interviews einspielen, das Merkel 1995 dem Südwestfunk gegeben hatte. Damals hatte sie eine Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) vorlegen lassen, in der potentielle Alternativstandorte für ein Atommüllendlagern genannt worden waren. Gorleben war gar nicht in die Suche einbezogen worden. Dennoch hatte Merkel eine Pressemitteilung überschrieben: „Gorleben bleibt erste Wahl “. Mehr noch: In dem Interview sagte sie, „das Wichtigste an dem Gutachten“ sei, dass es keinen besseren Standort als Gorleben gebe.

          Bild: F.A.Z.

          Diese Vorlage ermutigte die Opposition zu Bezichtigungen, Merkel habe gelogen. Mehr als zwei Stunden lang versuchte sie Kapital allein aus dem Umstand zu schlagen, dass Merkel verglichen habe, was sie gar nicht habe vergleichen können. Das sei zumindest nicht aufrichtig gegenüber der Öffentlichkeit gewesen, suchte SPD-Obfrau Ute Vogt Merkels persönliche Integrität in Zweifel zu ziehen, aber auch die Atompolitik der damaligen Regierung in ein schlechtes Licht zu rücken.

          Die frühere Umweltministerin suchte die Diskrepanz so zu erklären: Die Studie habe nur den Auftrag gehabt, Alternativen zu Gorleben zu suchen für den Fall, dass der Salzstock nicht geeignet sei – was bis heute nicht erwiesen sei. Deshalb sei der Salzstock für sie erste Wahl, und das bis heute: „Warum nicht mal gucken, ob Gorleben geeignet ist oder nicht.“

          Allein vor dem Ausschuss: Die Bundeskanzlerin kurz vor Beginn ihrer Zeugenbefragung
          Allein vor dem Ausschuss: Die Bundeskanzlerin kurz vor Beginn ihrer Zeugenbefragung : Bild: dpa

          Die Kanzlerin hatte schon in ihrem Eingangsstatement versucht, alle Vorwürfe der Falschinformation, des liebedienerischen Umgangs mit der Atomindustrie oder eines lässigen Umgangs mit wissenschaftlichen Erkenntnissen abzuwehren: „Alle Mutmaßungen, Verdächtigungen und Unterstellungen, die damalige Bundesregierung sei nicht nach Recht und Gesetz vorgegangen, weise ich für die Bundesregierung und für mich persönlich zurück.“

          Bild: dpa

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