Asylrecht : Gesundheitskarte für alle
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Eine Asylbewerber-Familie vor einer Unterkunft in Baden-Württemberg Bild: dpa
Asylbewerber dürfen in Deutschland wegen Grippe zum Arzt gehen, aber nicht wegen chronischer Krankheiten. Die Bundesländer wollen das ändern. An diesem Donnerstag treffen sich die Ministerpräsidenten, um darüber zu beraten.
Ist es unmenschlich, wenn Asylbewerber hier kein neues Hüftgelenk bekommen? Oder ist das einfach nur vernünftig? Würden wir noch mehr Menschen zu uns locken, wenn der Staat ihnen ein neues Gebiss bezahlte? Oder wenn ein schief verheilter Knochenbruch hier gerichtet würde? Bisher bekommen Asylbewerber solche Behandlungen in Deutschland nicht. Aber das soll sich ändern. Zurzeit dürfen Ärzte nur akute Schmerzen behandeln, aber keine chronischen Krankheiten. Das gilt für alle Asylbewerber, die weniger als 15 Monate in Deutschland sind und deren Antrag noch nicht anerkannt wurde. Geregelt ist das im Asylbewerberleistungsgesetz. Das heißt: Ein Patient bekommt Schmerztabletten, aber keine Krankengymnastik. Der Zahnarzt darf ihm einen Zahn ziehen, aber nicht füllen. Er bekommt eine Salbe gegen Juckreiz, aber keinen Allergie-Test.
Diese Beschränkungen sollen die Kosten im Griff halten. Kritik wird trotzdem geübt: Ist es sinnvoll, kariöse Zähne einfach zu ziehen? Wäre eine Füllung, und sei es mit dem preiswertesten Material, nicht besser? Immerhin behielte der Patient dann seine eigenen Zähne. Das ist billiger, als später ein Implantat einzusetzen. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern tragen die Kommunen. Wie teuer das ist, weiß niemand genau. Die Bundesländer nennen Summen zwischen 1000 und 3000 Euro pro Kopf im Jahr. Zum Vergleich: Die gesetzlichen Krankenkassen gaben im vergangenen Jahr im Schnitt für jeden Versicherten 2912 Euro aus.
Bürokratie erschwert den Arztbesuch
Nach rund einem Jahr in Deutschland erhalten Asylbewerber dann eine Krankenkassenkarte wie jeder andere auch. Mit dieser Karte öffnet sich die Tür zur kompletten medizinischen Versorgung. Die Frist bis zur Ausgabe wurde erst im März dieses Jahres verkürzt. Vorher dauerte es mehr als drei Jahre, ehe ein Asylbewerber das begehrte Plastik-Kärtchen in Händen hielt. Doch 2011 hatte der Ausschuss der Vereinten Nationen, der über die Einhaltung des UN-Sozialpakts wacht, Deutschland für diese Ungleichbehandlung von Einheimischen und Flüchtlingen gerügt. Die Verkürzung der Frist war eine Reaktion darauf.
Ein Asylbewerber ohne Karte muss erst zum Sozialamt gehen, wenn er sich krank fühlt. Dort bekommt er einen Schein, der dem Arzt die Kostenübernahme garantiert. Das ist umständlich und bürokratisch. Die Bundesärztekammer kritisiert, dass Verwaltungsleute entscheiden, ob jemand zum Arzt gehen darf oder nicht. Flüchtlingsorganisationen finden es diskriminierend, wenn ein Kranker mit Sozialamts-Schein zum Arzt kommt statt mit der Versichertenkarte. Doch bisher lässt sich nur auf diese Weise sicherstellen, dass der Arzt erkennt: Bei diesem Kranken darf ich nicht alles medizinisch Mögliche, sondern nur das Nötigste tun.
Bremen und Hamburg als Vorbilder
Nur die Stadtstaaten Bremen und Hamburg gehen schon lange einen anderen Weg als die Flächenländer. Sie geben Krankenkassenkarten an alle Asylbewerber aus, und zwar gleich bei deren Ankunft. Die Kosten tragen die Städte. Die Kassen bekommen für den Verwaltungsaufwand zehn Euro pro Asylbewerber im Monat. Bremen und Hamburg sagen, dass sie so Verwaltungskosten sparen.