Gesetzesreform : Warum hat Seehofer die Gesichtserkennung gestoppt?
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Testphase: Software zur Gesichtserkennung (Archivbild) Bild: dpa
Angst vor dem „Überwachungsstaat“: Obwohl die Union der Gesichtserkennung positiv gegenüber steht, musste Innenminister Seehofer die Notbremse ziehen. Die Opposition applaudiert.
Bundesinnenminister Horst Seehofer steckte in der Klemme. Der CSU-Mann und sein Ministerium halten die Technologie der Gesichtserkennung für einen „wertvollen Beitrag“, um die Arbeit der Polizei zu verbessern. So formulierte es ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Freitag in Berlin. Das Pilotprojekt am Bahnhof Südkreuz habe gezeigt, dass die Technologie eine ausreichende Reife habe, um eingeführt zu werden. Geplant ist, dass die Bundespolizei die biometrischen Daten der Passanten automatisch mit Fahndungsdatenbanken abgleichen kann. Dagegen gibt es aber nicht nur von Datenschützern und der Opposition erhebliche Bedenken.
Auch der sozialdemokratische Koalitionspartner von CSU und CDU warnt im Zusammenhang mit der Gesichtserkennung schon mal vor dem „Überwachungsstaat“. Die Diskussion wurde zusätzlich durch einen Bericht der „New York Times“ vom vergangenen Wochenende befeuert. Die amerikanische Firma Clearview soll eine Datenbank aus rund drei Milliarden frei im Internet zugänglichen Bildern zusammengestellt und auf dieser Basis Behörden die Gesichtserkennung angeboten haben. Die Bundesregierung hatte eine Zusammenarbeit mit Clearview allerdings nie geplant. Da der Plan, eine Gesichtserfassung gesetzlich zu regeln aber Teil des Bundespolizeigesetzes ist, das den Beamten neue Kompetenzen und mehr Sicherheit geben soll, hakt dessen Behandlung im Bundestag. Seehofer zog am Freitag die Notbremse.
Gesichtserkennung sei schließlich „keine ganz nebensächliche Angelegenheit“
In Zagreb, wo sich die Innenminister der Europäischen Union trafen, verkündete er, die Regelung der Gesichtserkennung aus dem Entwurf des neuen Bundespolizeigesetzes herauszunehmen. Er habe zu dem Thema noch „einige Fragen“. Automatische Gesichtserkennung sei schließlich „keine ganz nebensächliche Angelegenheit“. Was genau Seehofer noch wissen will und wie es mit der Gesichtserkennung weitergehen soll, konnte der Ministeriumssprecher am Freitag nicht mitteilen. Rechtlich stehe man auf festem Boden hieß es, aber es gehe schließlich auch um gesellschaftliche Akzeptanz. Dem Vernehmen nach gibt es noch Bedenken mit Blick auf die Genauigkeit der Technik.
Der Minister will, dass es mit dem Bundespolizeigesetz vorangeht. „Ich muss jetzt endlich mal das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren eröffnen“, sagte Seehofer in Zagreb. Seit drei Jahren arbeitet das Bundesinnenministerium schon an einer Reform des Gesetzes. Nun drängt die Zeit vor allem deshalb, weil die Datenschutzgrundverordnung hier zu Anpassungen verpflichtet. Außerdem will Seehofer, dass die Bundespolizei Kontrollen wegen unerlaubter Einreise auch außerhalb des bisherigen Einsatzgebiets von 30 Kilometer hinter der Grenze tätig werden darf. Zudem sollen die Kompetenzen der Bundespolizei ausgeweitet werden, um auch verschlüsselte Kommunikation verfolgen zu können. Konkret geht es um die Zuständigkeit für Online-Durchsuchungen und Quellen-Telekommunikationsüberwachung.
Ein Projekt von Seehofers Vorgänger de Maizière
Der Gesetzentwurf sollte endlich in die Ressortabstimmung. Doch die Sorge bestand, dass die Sozialdemokraten in puncto Gesichtserkennung blockieren. Tatsächlich war die Erleichterung in der SPD nun groß. „Wir begrüßen es ausdrücklich, dass Horst Seehofer schon jetzt die Pläne zur grundsätzlichen Einführung der Gesichtserkennungssoftware fallenlässt“, teilte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ute Vogt, am Freitag mit. Das zeuge von guter Einsicht und Erkenntnis. Dass im parlamentarischen Verfahren ein Entgegenkommen der SPD zu erwarten ist, ist eher unwahrscheinlich. Das Bundesinnenministerium hofft nun, dass zumindest die anderen Teile rasch geltendes Recht werden. Auch aus der Opposition gab es Lob für die Entscheidung des Bundesinnenministers. „Die jetzige Entscheidung von Horst Seehofer war die einzig richtige“, sagte Konstantin von Notz, der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion. Von Notz forderte, dass die Bundesregierung den Einsatz automatisierter Gesichtserkennung umgehend gesetzlich ausschließe.
Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) hatte bereits im Sommer 2017 ein auf sechs Monate angelegtes Pilotprojekt zur Gesichtserkennung gestartet. Diese solle die Fahndung nach Schwerverbrechern erleichtern, hatte der Minister das Vorhaben damals gegen die Kritik unter anderem von Datenschützern verteidigt. Sollte sich das Verfahren bewähren, so würde das einen „unglaublichen Sicherheitsgewinn“ bedeuten, hatte de Maizière argumentiert. Damals hatte die zur CDU gehörende Datenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kritisiert, dass der Sender, den die 300 an dem Versuch beteiligten Freiwilligen trügen, nicht nur passiv funktioniere, sondern ein Bluetooth-Transponder sei, mit dem „dauerhaft und überall Informationen“ vom Smartphone abgerufen werden könnten. De Maizière hatte entgegnet, dass diese Funktionen deaktiviert seien. Doch beruhigt hatte sich der Streit in den vorigen zweieinhalb Jahren nicht.