Gesetzesdebatte : Verschleierungsverbot schützt nicht vor Terror
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Die Vollverschleierung soll in Zukunft in Hochschulen, Kindertagesstätten oder im Straßenverkehr verboten werden. Bild: dpa
Ein generelles Verbot der Vollverschleierung scheitert am Gesetz. Die Innenminister der Union entschieden sich daher für einen Kompromiss. Wieso radikalere Lösungen nicht möglich sind.
„Man kann nicht alles verbieten, was man ablehnt.“ Mit dieser Formel fasste Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) letzte Woche die juristischen Bedenken zusammen, die viele Verfassungsrechtler gegen ein generelles Burka-Verbot in Deutschland vorbringen. Mit ihrem Kompromiss, ein Burka-Verbot nur in klar bestimmten Lebensbereichen anzustreben, sind die Innenminister der Union nun auf eben diese Bedenken eingegangen.
Laut den vielen Verfassungsjuristen steht einem generellen Burka-Verbot der hohe Stellenwert der Religionsfreiheit im Grundgesetz entgegen. Artikel 4 schützt die freie Religionsausübung – und dazu gehört eben auch, sich den Vorschriften seiner Religion entsprechend zu kleiden. Einschränkungen dieser Freiheit sieht Artikel 4 selbst nicht vor. Das bedeutet zwar nicht, dass die Religionsfreiheit keine Grenzen kennt. Will man sie aber einschränken, muss dies zum Schutz andere Rechtsgüter von Verfassungsrang erfolgen, die im konkreten Fall schwerer wiegen als die Religionsfreiheit. Entscheidend ist also der Zweck, dem ein Burka-Verbot dienen würde.
Verbot käme nicht den Frauen zugute
In der Praxis wird dieser Zweck streng geprüft. Oft scheitern Gesetze dabei an der Frage, ob sie auch tatsächlich geeignet sind, den Zweck zu erreichen. Der Schutz vor Terroranschlägen würde dieser Prüfung sicher nicht standhalten. Denn welche Konstellation wäre denkbar, in der ein Terrorist zu einer Burka greifen würde, um dadurch leichter einen Anschlag zu verüben? Auch der Schutz von Frauen vor ihnen herrschsüchtigen Männern kommt nicht infrage, da den Frauen ja durch ein Verbot der Burka tatsächlich nicht geholfen wäre. Im Zweifel würden sie, wenn sie tatsächlich von ihren Männern unterdrückt werden, gar nicht mehr auf die Straße gelassen.
Frankreich ist mit seinem Verbot der Gesichtsverschleierung 2011 den Weg gegangen, das Gesetz mit der Gewährleistung von Mindestanforderungen des Zusammenlebens in der Gesellschaft zu begründen. Ein solcher Grundsatz könnte in Deutschland allenfalls in das Demokratieprinzip des Artikels 20 hineingelesen werden. Doch das Bundesverfassungsgericht hat bisher immer die Linie verfolgt, dass Eingriffe in Grundrechte nicht auf derlei eher schwammige Staatsziele gestützt werden dürfen.
Die Lösung der Innenminister ist daher, sich konkrete Bereiche herauszusuchen, in denen handfeste Gründe der Gesichtsverschleierung entgegenstehen: Bereiche, in denen eine offene Kommunikation erforderlich ist, wie Schulen, Gerichtssäle, auf Ämtern oder am Arbeitsplatz. Oder eben den Straßenverkehr, wo eine Burka-Trägerin am Steuer schon durch ihr eingeschränktes Gesichtsfeld das Leben anderer gefährden würde und dazu Kontrollen wie Blitz-Fotos ins Leere laufen ließe, die schließlich dem Schutz des Lebens anderer dienen.