„Gefängnisse abschaffen“?
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Aufnahme aus einer Zelle in der JVA Ravensburg, 19. September 2013 Bild: dpa
Die Thesen des langjährigen JVA-Leiters Thomas Galli klingen auf den ersten Blick wie realitätsferne Sozialromantik. Tatsächlich halten sie kluge und differenzierte Ansätze zur Reform des Strafvollzugs bereit. Eine Kolumne für F.A.Z. Einspruch.
Vor einigen Wochen hat mich das Leipziger Literaturhaus zu einem Streitgespräch mit dem ehemaligen Leiter einer Justizvollzugsanstalt und Buchautoren Thomas Galli eingeladen. Durch ein kurzes Googlen erfuhr ich, dass Thomas Galli „Gefängnisse abschaffen“ will, und dass er den Ehemann, der nach 30 Jahren seine Ehefrau umbringt, für gesellschaftlich „ungefährlich“ hält. Leichthin sagte ich zu – hier eine Gegenposition einzunehmen, erschien mir recht problemlos möglich. Doch dann las ich Gallis aktuelles Buch „Weggesperrt“ – und war überrascht, wie klug und differenziert seine Überlegungen sind. Und wenn jemand, der 15 Jahre lang ein Gefängnis geleitet hat, diese Institution abgeschafft sehen möchte, dann sollte man das ernst nehmen.
Die Freiheitsstrafe bedeutet für den Gefangenen Leid. Sein Alltag wird fremdbestimmt, die Fortführung der eigenen Arbeitstätigkeit unmöglich gemacht, Sexualität und Nähe zu geliebten Menschen werden unterbunden. Ohne Zweifel stellt das Gefängnis ein „Übel“ dar. Doch das ist unvermeidlich. „Die Leugnung des Übelscharakters der Strafe“, so heißt es in dem Strafrechtslehrbuch von Jescheck/Weigend, „würde nichts anderes bedeuten als die Leugnung des Strafbegriffs selbst“.
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