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Katholikentag : Gauck kritisiert „grassierende Gleichgültigkeit“

Hier leuchtet der Glaube: Der Bundespräsident erhält ein kleines Kreuz aus Patronen aus Kongo. Bild: dpa

Der Bundespräsident beklagt die „grassierende Gleichgültigkeit“ in Deutschland. Viel mehr als Pastor-Gauck-Sätze aber sind von ihm auf dem Katholikentag sonst nicht zu hören.

          2 Min.

          Das Auditorium Maximum der Universität Regensburg ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Ein älterer, weißhaariger Mann sitzt auf einem Stuhl und liest eine Rede ab. Gerne hätte er sie im Stehen vorgetragen, wie früher, als er hier einen Lehrstuhl innehatte. Doch das verbietet der Comment, auch wenn es eigentlich „nur“ um Glaube und Vernunft gehen soll. Denn Joseph Ratzinger ist jetzt Papst, was ihn nicht darin hindert, als Professor zu sprechen und sich über ein mittelalterliches Zitat mit antimuslimischer Stoßrichtung zu freuen. Auch die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen bekommen ihr Fett weg. Die Rede, vorgetragen im September 2006, sollte das Verhältnis der Konfessionen und Religionen auf Jahre hinweg eintrüben.

          Daniel Deckers
          in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.

          Wieder ist das Auditorium Maximum der Regensburger Universität fast bis auf den Platz gefüllt. Wieder sitzt ein älterer, weißhaariger Mann auf einem Stuhl und redet. Die anderen, die rechts und links auf den anderen Stühlen sitzen, reden auch – wenn die Moderatorin ihnen das Wort erteilt. Schön der Reihe nach sagen sie, was sie sicher nicht zum ersten Mal gesagt haben über Kirche und Religion, Staat und Gesellschaft, so routiniert klingt es.

          Bundespräsident Joachim Gauck, der am häufigsten etwas sagen darf und sich als einziger auch ungefragt in das Gespräch einschaltet, sorgt sich um die „grassierende Gleichgültigkeit“. Ansonsten sagt er viele Pastor-Gauck-Sätze. Wie den, dass der „Glaube und seine geheimnisvolle Quelle nicht mehr jedem einleuchten“. Oder: „Wenn unser Leben uns in den Schoß fällt, dann denken wir manchmal nicht darüber nach, dass wir unser Leben verdienen oder gestalten müssen.“ Großer Beifall aber für den Satz: „Nirgendwo steht geschrieben, dass der Heilige Geist nur in Bischöfen wirkt.“ Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sagt schon oft gehörte Glück-Sätze, in denen immer „die Menschen“ entweder als Subjekt oder als Objekt auftauchen. Und wie immer müssen „wir“ die Gefahr einer Gesellschaft ohne Religion bannen, denn Wertedebatten hin oder her, Gesellschaften ohne Religion würden immer orientierungsloser.

          Petra Bahr, die Kulturbeauftragte der EKD, stellt wie immer offenherzige Bahr-Fragen, etwa die nach dem Beunruhigungspotential von Kirchen, und sagt Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein müssten, aber es vor lauter Strategie-, Konzept- und Profildebatten nicht mehr sind: Christen brauchen Gemeinde. Die hier anwesende Gemeinde verwirrt die aus Jerusalem eingeflogene Rabbinerin Dalia Marx einen kurzen Moment mit der Behauptung, dass Religionsfreiheit für Juden ausgerechnet in Israel nicht gegeben sei. Mit der Behauptung, dass Inklusion von Homosexuellen für Religionen heute die Frage aller Fragen sei, erobert sie die Herzen des geneigten Publikums im Sturm.

          Es wird zu gar nichts führen

          Die Antwort auf die Frage der Moderation nach dem Markenkern der katholischen Kirchen laute irgendwann, Kirchen seien am stärksten, wenn sie für den Menschen da sind. Wer hätte das gedacht? Der Repräsentant der Muslime redet wieder zur Sache. Zwar ist Haci Haslil Uslucan schon so gut in Deutschland akkulturiert, dass er seine Sätze mir der Phrase „Ich glaube, wir müssen“ einleitet. Ansonsten hält der Integrationsforscher die gelebte Religiosität von Muslimen in Deutschland für ein selbstbewusstes Zeichen der Integration einer Minderheit in eine Mehrheitsgesellschaft, verschweigt aber nicht, dass der „traditionelle“ Islam nicht nur Sicherheit bietet, sondern in modernen Gesellschaften neue Ambivalenzen und Unsicherheiten schafft.

          Nach knapp 90 Minuten ist es geschafft. Alle -keiten wie Brüderlichkeit, Geschwisterlichkeit sind erwähnt, alle Brücken gebaut, alle Gedanken gesackt, Papst Franziskus ist hinreichend gelobt. Das Podium wird nicht dazu führen, dass sich Katholiken, Protestanten, Muslime oder Juden in die Haare geraten. Es wird zu gar nichts führen. Das unterscheidet das Regensburger Gerede auf dem Katholikentag 2014 von der Regensburger Rede des Jahres 2006. Die wurde im Übrigen ebenso wie der Name des Vorgängers von Papst Franziskus von niemandem mit auch nur einem Wort erwähnt.

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