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Muslimisches Frauenbild : Sie hassen uns

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„Klingt nicht gut“, sagte ich. „Was sollen junge Leute machen?“, fuhr die Besucherin aus Rabat fort, „Sex vor der Ehe ist bei uns gesetzlich verboten, denn er gilt im Islam als Unzucht. Einer unserer religiösen Scheichs hat neulich sogar öffentlich gezeigt, dass er sich des Problems bewusst ist. Scheich Abdelbari Zamzani hat per Fatwa den unverheirateten Marokkanerinnen die Karotte empfohlen! Als er daraufhin verspottet wurde, konnte er das nicht verstehen, er habe doch als Feminist gesprochen. Obendrein hat Zamzani sogar die Hymen-Reparatur erlaubt – nach einem Unfall! Wissen Sie, es ist dieser Mischmasch aus religiösen Geboten und heutiger Lebenswirklichkeit, der bei den Männern zu permanentem sexuellen Notstand führt – von den Frauen redet dabei übrigens niemand.“

Frauen mit kurzen Röcken werden als „Schlampen“ beschimpft

In den zehn Jahren meines Aufenthaltes in Nordafrika und auch bei den späteren Besuchen dort habe ich nicht eine einzige Frau getroffen, die nicht von sexuellen Belästigungen zu berichten gewusst hätte. Mit der zunehmenden Islamisierung Algeriens und Marokkos kann schon das Tragen eines Rockes zu Übergriffen führen. So geschehen in Inezgane bei Agadir: Im Juni 2015, einen Tag vor Beginn des Ramadans, gingen zwei junge Marokkanerinnen namens Sanaa und Siham im Soukh von Inezgane einkaufen. Die beiden Frauen trugen Röcke, die etwas oberhalb der Knie endeten. Als ein Händler die beiden erblickte, bemerkte er zu den Umstehenden, diese Art der Kleidung verletze das Schamgefühl aller Marokkaner, worauf sich sogleich eine Menschenmenge um die beiden Frauen scharte, sie als Schlampen beschimpfte, junge Männer sich an die beiden Mädchen drängten, sie anfassten und vulgäre Gesten machten.

Die von einem anderen Händler zum Schutz der Frauen herbeigerufenen Polizisten fanden die Kleidung Sanaas und Sihams gleichfalls schamlos. Sie nahmen die beiden Frauen fest und überstellten sie am nächsten Morgen dem Staatsanwalt. Im selben Soukh wurden wenige Tage später zwei für homosexuell gehaltene Männer zusammengeschlagen und gleichfalls festgenommen. Kein Ulema protestierte im einen wie im anderen Fall, während im Touristenort Agadir Schilder mit der Aufschrift „Respect Ramadan. No Bikinis“ auftauchten, um Marokkanerinnen und Ausländerinnen daran zu hindern, sich am Strand zu bräunen.

Der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun schrieb Anfang August 2015 zu diesen Vorfällen: „Es wird Zeit, dass die Regierung auf diese neue Diktatur der Ignoranz, der Frustration und der Dummheit reagiert. Letzte Woche haben mit Säbeln und Dolchen bewaffnete Halunken am Strand von Tanger Jagd auf unverschleiert Badende gemacht. Vorsicht, das fängt mit einer Belästigung dieser Art an und endet mit einer Bombe in einem Schwimmbad oder in einem Café. Die Sicherheitsdienste müssen dieses gefährliche Treiben absolut ernst nehmen und die Sicherheit und Freiheit des Individuums garantieren, ob Mann oder Frau.“ Einen Monat zuvor hatte es das mörderische Attentat am Strand von Sousse in Tunesien gegeben, der Salafisten als „Bordell“ gilt.

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